Ich habe es Euch bei der Buchbesprechung von "Mit anderen Augen" schon versprochen und hier ist es also das Interview mit Fabian Sixtus Körner, dem Bestsellerautor, oder doch eher mit dem Vater einer bezaubernden Tochter mit Down Syndrom.
Ich fühle mich geehrt seine Antworten hier veröffentlichen zu dürfen.
Erst Brigitte, ARD und Sat1, jetzt auch bei Jolinas Welt.
- Ich denke dein Buch erreicht nochmal ein ganz anderes Klientel, als ich zB mit meinem Blog und andere Autoren mit Büchern in denen sie ihre Geschichte und die Begegnung mit dem Down Syndrom schildern.
Glaubst Du es ist möglich unsere Gesellschaft von der Abtreibungsrate von über 90% durch das Engagement von uns Eltern weg zu bringen?
Glaubst, oder hoffst Du Dein Buch kann etwas dazu beitragen?
Die 90% der Schwangerschaftsabbrüche resultiert für mich auch daraus, dass es gesetzlich verankert ist diese Spätabbrüche durchzuführen.
Das Gesetz gibt es aber nicht, weil sich der Gesetzgeber aus einer Laune heraus dazu entschieden hat, dass das vielleicht eine gute Idee wäre, sondern weil es viele Stimmen aus der Bevölkerung gab, die das gefordert haben.
Das muss also bedeuten, dass Menschen mit Behinderung innerhalb der Gesellschaft als Schaden angesehen werden. Und daher glaube ich daran, dass es nicht sinnvoll ist GEGEN das Gesetz zu kämpfen, sondern die Ursache anzugehen.
Wir haben uns dazu entschieden FÜR eine Veränderung des Bildes von Menschen mit Behinderung ( in diesem speziellen Fall Down-Syndrom ) zum Positiven zu kämpfen. Daher geben wir viel von uns und unserer Tochter preis - auch die negativen Aspekte, wie z.B. das Hadern nach der Diagnose oder die Mitleidsbekundungen, aber auch der zusätzliche Aufwand durch Arztbesuche und Therapien. Alles in allem sind wir aber wahnsinnig glücklich mit Yanti. Das steht über allem und es ist wichtig, dass dies auch von der Gesellschaft so wahrgenommen wird.
- Viele Eltern von Kindern mit Down Syndrom geht die Inklusion heute noch nicht weit genug. So schicken sie ihre Kinder weiter auf Förderschulen, weil dort ihre Kinder behüteter sind und sie glauben, dass sie dort mehr und besser lernen. Ich bin so ne Verrücke, ich schicke mein Kind inklusiv in die Schule und erwarte mir nicht wirklich groß etwas, außer, dass mein Kind lernt, dass sie nicht auf einer Insel mit lauter Menschen mit Behinderung lebt, sondern, dass sie etwas mehr kämpfen muss, der Großteil der Menschen aber nun mal keine Behinderung hat, sie aber trotzdem dazu gehört. Es stört mich nicht einer der Ersten zu sein und noch nicht alles perfekt läuft, einer muss doch den Anfang machen. Deine Tochter ist noch klein, aber die Zeit fliegt, habt ihr Euch schon gemeinsam Gedanken über Schulfomen gemacht?
Yanti ist noch keine zwei Jahre, daher kann ich tatsächlich auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen, um mir eine fundierte Meinung zu bilden.
In der Kita ist sie sehr beliebt bei den Kindern. Aber es handelt sich hierbei eben um Kinder zwischen 1 und 5 Jahren - sie merken, dass Yanti anders ist, sehen aber nichts negatives daran. Im Gegenteil, sie fühlen sich erwachsen dadurch, dass sie sie tragen und ihr etwas zu trinken geben dürfen.
Das wird sich im Schulalter mit Sicherheit ändern, wenn die Leistung in den Vordergrund rückt und die Kinder an Noten gemessen werden. Wir halten uns daher derzeit alle Möglichkeiten offen.
Dass wir in Berlin bleiben ist möglich, aber vermutlich wird es uns ins Ausland ziehen. Wir haben ja noch ein paar Jahre Zeit durch weitere Reisen herauszufinden, wo sich Yanti am besten entwickeln kann.
- Macht Dir die politische Entwicklung auch Angst? (Es ist ja kein rein deutsches Problem) Es gibt ja Parteien, die haben es im Wahlprogramm Inklusion abzuschaffen.
Wie schon erwähnt, glaube ich daran, dass unsere Gesetze ( mit leichter Verzögerung ) den Zeitgeist widerspiegeln. Wenn Inklusion abgeschafft wird, dann nur, weil der Großteil der Bevölkerung nicht daran glaubt.
Ich denke nicht, dass es unmenschlicher wird, weil es z.B. die AFD gibt, sondern umgekehrt, dass es die AFD gibt, weil es weniger menschlich zugeht in unserer Gesellschaft. Dem versuche ich entgegenzuwirken. Angst davor, dass es schlimmer wird, habe ich jedoch nicht. Vielleicht stagniert die Entwicklung hin zu einem positiveren Gemeinschaftsgefühl ein wenig. Im großen Ganzen habe ich dennoch das Gefühl, dass es sich weiter zum Positiven hin entwickelt.
- Du beschreibst in deinem Buch die Situation mit der Frau mit Down Syndrom, die selbst einkaufen geht (wundervoll, oder?) und dann diese Dame in grau. Pflegt ihr Kontakt zu anderen Familien mit Kindern mit Down Syndrom, oder ist das zur Zeit eher kein Thema?
Nico, Yantis Mama, hat früh angefangen den Kontakt zu suchen, vor allem um zu erfahren, worauf sie sich möglicherweise einstellen muss.
Ich bin dahingehend sehr viel zurückhaltender gewesen, auch aufgrund der Begegnung mit der Dame in grau.
Die Situation hat sich für mich dann vor allen Dingen durch die Buchveröffentlichung verändert, da mich viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom kontaktiert haben. Zugleich sind wir beide aktive Mitglieder im downsyndromberlin e.V..
Doch obwohl es bei uns in Berlin-Kreuzberg relativ viele Kinder mit Down-Syndrom gibt (hier scheint der Trend in eine andere Richtung zu gehen) suchen wir selten bewussten Kontakt. Unser Freundeskreis ist zum Großteil der gleiche geblieben.
- Was würdest Du Eltern, die gerade pränatal erfahren haben, dass ihr Kind T21 hat, an die Hand geben, oder sagen?
Ich finde es toll und wichtig, dass es zahlreiche Infobroschüren und sonstiges Material, z.B. vom DS-Infocenter gibt, um sich zu informieren.
Jedoch ist die Reaktion der Elternteile mitunter sehr verschieden. Nico hat sich sofort daran gemacht das Fachwissen aufzusaugen. Ich selbst konnte das in der ersten Zeit jedoch nicht gut aufnehmen, hätte mir anstatt der fachlichen Infos mehr für die emotionale Bewältigung gewünscht. Positive Beispiele, an denen man sich aufrichten kann.
Es gibt so viele tolle Geschichten in Text- und Videoformat online, doch das musste ich mir erst alles zusammensuchen.
Auch Schulungen für das Krankenhauspersonal fände ich wichtig. Gerade die Ärzte haben Nachholbedarf, die Schwestern und Pfleger sind da schon einfühlsamer.
Genauso das familiäre Umfeld - niemand sollte Mitleid zum Ausdruck bringen. Angebracht sind Glückwünsche und die Zusicherung, dass die Enkelin oder der Neffe ein Teil der Familie sein wird wie jedes andere Familienmitglied auch. Zu der eigentlichen Frage, was ich den Eltern mitgeben würde, vor allem denen, die hadern? Am liebsten würde ich Ihnen Yanti vorstellen und Ihnen erklären, dass sie wahnsinnig stolz sein werden auf ihr Kind - genauso stolz wie ich auf Yanti bin.
Verliert die Geduld nicht. Die kleine Person wird einen eigenen Charakter entwickeln und wahrscheinlich unverkennbar Eure Tochter oder Euer Sohn sein - und ehe Ihr Euch verseht, rückt die anfangs so präsente Behinderung in den Hintergrund und ihr entdeckt den wundervollen Menschen dahinter.
Danke Fabian für diese großartigen Antworten. Ich sitze hier und nicke mit dem Kopf.
Genau deshalb blogge ich, das Land braucht positive Beispiele. Positiv im Sinne von stinknormal.
Vielleicht gibt es ja noch mehr Abenteuer zu lesen von Yantis Reisen, ich würde das Buch kaufen.
Wer jetzt Lust bekommen hat auf das Buch, ihr könnt es hier gewinnen und gleichzeitig noch meine Rezension lesen.
Danke für das Interview! ich bin sehr gespannt, wie ihr Weg weitergehen wird - und ob wir noch mehr von Yanti lesen dürfen. (ach und meine Rezension ist immer noch nicht online - Du siehst also: ich bin noch später dran!)
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