Ich habe gerade die Sendung "Menschen - das Magazin" von gestern angeschaut.
Hier könnt ihr das auch:
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Es geht um Geschwister behinderter Kinder und an 2 Beispielen wird gezeigt wie die Geschwister sich fühlen.
In beiden Fällen hat der behinderte Bruder das Down Syndrom, einmal ein Zwillingspaar mit 9 Jahren und einmal ein erwachsenes Geschwisterpaar.
Natürlich ist kein Fall vergleichbar und ich denke auch in der Nachschau sieht die Kindheit immer anders aus und auch kann man eine Familie mit Vater schlecht mit einer alleinerziehenden Mutter vergleichen, denn auch da sind oft die älteren Geschwister mehr gefordert.
Ich denke es ist immer ein Spagat Kinder gleich viel zu beachten oder zu lieben.
Natürlich liebt man seine Kinder, erst einmal, weil sie einfach unsere Kinder sind und dann nochmal ganz individuell für bestimmte Eigenschaften oder bestimmte Dinge die sie tun.
Bei uns ist das nicht anders.
Ich liebe meine beiden Rüben über alles, auch wenn es diese Momente gibt an denen ich sie gerne an der Autobahn aussetzen würde ;-)
Jolina ist mir in vielen Dingen sehr ähnlich und ich denke oft wäre dieses Sch...-Down Syndrom nicht, dann wäre sie wirklich ne kleine Kopie von mir.
Louisa ist mir in ihrem Wesen so unähnlich, aber wir mögen die gleichen Dinge und sehen uns extrem ähnlich (naja, sie hat zum Glück weder meine Speckröllchen Falten oder grauen Haare, aber so im Großen und Ganzen, hihi)
Das sind Dinge die sie unbestreitbar zu MEINEN Mädchen macht und natürlich liebe ich sie dafür noch mehr und auch für Dinge die ich gar nicht kann und bin aber sehr an ihnen bewundere.
Und dann kommt Louisa und sagt: "Du hast Jolina aber lieber als mich!" Könnte Jolina sich so ausdrücken, würde sie das sicher genau so auch sagen. "Du hast Louisa aber lieber als mich!"
In unserem Umfeld sind eigentlich alle Kinder so, auch wenn sie keine behinderten Geschwister haben. Es ist ein ständiger Kampf um mehr Aufmerksamkeit und mehr Liebe. Ich selbst bin Einzelkind, wir hatten aber öfter Pflegekinder in Kurzzeitpflege und ich war auch jedes Mal extrem eifersüchtig, obwohl ich glücklich war, dass endlich jemand da war zum spielen, aber ich musste eben teilen und dann auch noch mit "fremden" Kindern, ich denke das fällt einfach schwer und liegt in der Natur des Menschen, ein ganz normales Verhalten aus unserer frühen Entwicklungsgeschichte, damit man selbst das Kind ist, das vorm Säbelzahntiger gerettet wird.
Natürlich ist es bei anderen Behinderungen sicher so, dass die behinderten Kinder mehr Aufmerksamkeit brauchen und bekommen, aber bei dem reinen, puren Down Syndrom ist die Aufmerksamkeit eher wie sie bei jüngeren Geschwistern sein muss und das länger als bei "Normalbausatzkindern" aber nicht umsonst ist das Down Syndrom der Mercedes unter den Behinderungen und kommen keine Zusatzerkrankungen hinzu, was leider häufig mit T21 einhergeht, dann ist es eben wie ganz lange Geschwister im Kleinkindalter zu haben, mehr nicht.
Wir Eltern wissen zwar genau, dass wir uns nach besten Wissen und Gewissen aufteilen und trotzdem trifft uns dieser Spruch: "Du hast für ... viel mehr Zeit als für mich" extrem tief, denn insgeheim sind das ja unsere Ängste, dass wir vielleicht ungerecht sind und das wollen wir ja auf gar keinen Fall sein. Ist dann wirklich ein Grund in der Familie, dass ein Kind mehr Aufmerksamkeit braucht als es eben üblich ist, dann sind wir da sehr dünnhäutig.
Aber woher kommt es denn, dass gerade die Mütter so oft an ihrem Limit sind. Wären wir Manager würde man sagen "Burn Out" und "kürzer treten hilft" aber wie sollen wir kürzer treten? Wir versuchen es ja "richtig" zu machen und somit geben wir uns oft selbst auf.
Daher sollte nicht die Frage gestellt werden ob Geschwisterkinder von behinderten Kindern zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, sondern dass Eltern von behinderten Kindern sich selbst zu wenig Aufmerksamkeit schenken, weil sie versuchen die Kinder gleich und gerecht zu behandeln.
Fragt mich bitte nicht, wann ich den letzten Zahnarzttermin für mich hatte einfach nur zum nachschauen, dafür nehme ich mir keine Zeit, nur dann wenns weh tut, dann gehe ich. Ich weiß, das ist falsch, aber so wie es eigentlich in der Natur der Mütter liegt sich selbst zu opfern für den Nachwuchs, so ist dies in besonderen Fällen noch mal besonders anders.
Ich weiß ich sollte mir kein schlechtes Gewissen von meinen Kindern einreden lassen und noch weniger von meinem Umfeld, wo auch schon ab und an der Spruch kam, dass Louisa doch noch ein Kind sei wenn ich etwas von ihr verlangte und dass sie ja auch in einer ganz blöden Lage ist.
Welche blöde Lage? Da platzt mir dann ja ab und zu der Kragen.
In der blöden Lage, dass wir ihr vieles ermöglichen was sie sich wünscht, dass sie Querflötenstunden nehmen darf, dass ich sie zum Ballett fahre, oder zur Garde bringe, sie zu Auftritten begleite und klatschend und stolz im Publikum sitze wo andere Eltern fehlen und das Kind alles alleine durchziehen muss?
In der blöden Lage, dass sie hier im Haus die "Große" ist und vieles darf was die "Kleine" nicht darf wie Abends in den Ferien und am Wochenende mit uns vorm Fernseher zu sitzen und wir müssen das Programm kindgerecht gestallten und ihre ständigen Plapperattacken durchhalten? (Ich verfluche jeden Freitag und Samstag Super RTL und Disney-Channel für ihre 20:15-Filme)
In der blöden Lage schon extrem rum gekommen zu sein und in eine ganz andere Welt geschnuppert zu haben und Freunde quer durch Deutschland zu haben, eben gerade durch Jolinas Down Syndrom?
In der blöden Lage Dinge zu können und zu dürfen die ihre Schwester eben nicht mitmachen kann? So fuhr der Papa im Winter mehrmals mit Louisa zum Schlittschuhlaufen, da dies für Jolinas Gelenke nichts ist und da es so kleine Schlittschuhe gar nicht im Verleih gibt musste sie zu Hause bleiben.
Wenn man das liest fragt man sich wer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Die Fahrten zu Therapien oder der erhöhte Pflegeaufwand wie Hilfe beim Zähneputzen und so weiter sollte man nicht als Aufmerksamkeit sondern als "Job" sehen, dafür bekommen die meisten ja auch Pflegegeld. Wenn man die Zeiten für diese Dinge abzieht und schaut was bleibt kommen meines Erachtens die Kinder mit Behinderung vielleicht sogar in den alltäglichen Dingen viel kürzer. Bei uns ist das auf jeden Fall so und daher muss und sollte keiner Mitleid mit Geschwistern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen haben, es geht ihnen sicher so gut wie jedem anderen Kind auch das Geschwister hat, dafür sorgen wir Eltern schon und wenn das nicht so ist, dann liegt es an den Eltern und nicht an der Situation.
Es gibt übrigens noch einen großen Vorteil Geschwister eines besonderen Bruders oder Schwester zu sein. Es macht einen leichter zu einem "besseren" Menschen. Jemandem der Inklusion wirklich lebt und einen Schritt weiter ist als die Gesellschaft, nämlich zu wissen, dass jeder Mensch toll und gut ist so wie er ist und nicht umsonst ergreifen gerade solche Geschwister Berufe im Sozialen Bereich, weil es für sie normal ist zu helfen, so wie es für uns alle ein bisschen öfter normal sein sollte.
Der erste Schritt wäre bei der nächsten Begegnung mit einem Behinderten nicht peinlich berührt wegzusehen, dass man nicht evtl. hinstarrt, sondern einfach zulächeln, geht ganz einfach.