- Familiengründung mit Hindernissen
- Diagnose Down Syndrom
- Das Ringen um eine Entscheidung
- Sein letzter Lebenstag
5. Wie es bei uns weiterging
Der Schwangerschaftsabbruch
war ein paar Tage vor Heilig Abend gewesen. Wir haben von jenem Weihnachten
kein einziges Foto.
Kurz danach flogen wir für
ein paar Tage in den Urlaub. Wir dachten, ein wenig Tapetenwechsel würde uns
dreien gut tun. Das nasse und stürmische Wetter in der Türkei passte wenigstens
genau zu unserer Stimmung. Auf der Rückreise wurde es uns aber fast zum Verhängnis.
Denn unser Flugzeug hatte beim Start einen Unfall: Bedingt durch den Sturm
knallte beim Abflug das Heck auf. Panik an Bord, schreiende Passagiere, das
Flugzeug taumelte. Eine gefühlte Ewigkeit lang torkelten wir dicht über dem
Mittelmeer. Das ist die Strafe dafür, dass wir unser behindertes Baby
getötet haben. Jetzt müssen wir alle sterben. Auch unser zweijähriger Sohn, und
er ist doch noch so klein und völlig unschuldig.
Kehrtwende des Fliegers,
Notlandung. Irgendwie sind wir da alle heil rausgekommen. Normalerweise neige
ich auch nicht zu solch magischem Denken. Es zeigt aber, wie tief meine
Schuldgefühle reichen. Und sie sind mit den Jahren nicht weniger geworden. Es
besteht nach wie vor eine tiefe Kluft in mir: Zwischen dem Verstand, der sagt,
dass für uns einfach keine realistische Alternative existierte. Dass wir in
unserer Situation das einzig Vernünftige taten, als wir die Schwangerschaft
abbrechen ließen. Und dem Herz, das immer noch um unseren Linus trauert. Das
unser Nesthäkchen so gern kennengelernt hätte. Sein Gesicht. Seine Stimme. Wäre
er seinem großen Bruder ähnlich gewesen, den wir doch so unendlich lieben?
Niemals werden wir die Händchen unseres Jüngsten halten und streicheln können.
Niemals wird er Geburtstag feiern. Niemals wird er lachen können. Dieser
Gedanke verfolgte mich anfangs geradezu: Wir
haben unserem Kleinen das Lachen genommen. Für immer.
Manchmal fühlt es sich so an,
als hätten wir unser Baby einfach weggeworfen. Dabei weiß ich doch, dass das
nicht wahr ist. Wir haben uns die Entscheidung weiß Gott nicht leichtgemacht.
Seit dem Ende meiner
Schwangerschaft sehe ich überall Menschen mit Down-Syndrom. Wir wohnen am Rande
einer Großstadt, und unter den Tausenden von Leuten hier entdecke ich immer
wieder welche mit Trisomie 21 – Säuglinge, ältere Kinder, Jugendliche und
Erwachsene. Mittlerweile erkenne ich manche schon von weitem, an ihrem etwas
unbeholfenen Gang und dem meist nach vorne gereckten, rundlichen Kopf. Ich
fühle mich zu diesen Menschen ganz eigenartig hingezogen, würde am liebsten mit
jedem von ihnen persönlich Kontakt aufnehmen. Wahrscheinlich erhoffe ich mir
durch sie irgendeine geheime Verbindung zu dem kleinen Jungen, der nie in
meinen Armen gelandet ist. Wenn ich könnte, würde ich nun ein fremdes Baby mit
Down-Syndrom als Adoptiv- oder Pflegekind bei uns aufnehmen. Ja, als
Wiedergutmachung irgendwie. Und um Linus‘ Geschichte nachträglich eine Art von
Sinn zu verleihen.
Immer wieder muss ich daran
denken, was in einem Interview ein Elternpaar sinngemäß über die Down-Diagnose
seines Ungeborenen sagte: Man kann sich in dem Moment nicht aussuchen, ob
man ein Kind mit oder ohne Behinderung bekommt. Sondern nur, ob es ein lebendes
oder ein totes Kind mit Behinderung sein wird.
Mein Mann und ich haben uns damals
für das tote Baby entschieden. Ich finde es erschreckend, wie präsent es
trotzdem weiterhin ist. Wenn unser Großer im Bett ist, taucht nachts immer noch
oft unser kleines Gespensterkind in mir auf. Und fordert sein Recht. Dass ich
mich mit ihm beschäftige. Dann kreisen meine Gedanken, drehen sich wie in einem
ewigen Strudel, aus dem ich seit Jahren nur mit Mühe herausfinde. Als ich zu
Beginn unserer Kinderwunsch-Geschichte ein Baby durch Fehlgeburt verlor, hätte
ich nie gedacht, dass es noch so viel schrecklicher für uns kommen würde.
Unsere ersten beiden Ungeborenen, das unter Eichen begrabene und das
verschwundene Zwillingskind, konnte ich im Laufe der Zeit mehr und mehr
loslassen. Unseren Jüngsten nicht.
Hunderte Male haben mein Mann
und ich in den vergangenen Jahren die Frage gewälzt: Hätten wir es nicht doch
irgendwie schaffen können mit unserem Linus? Die immer wieder von uns geprüfte
Antwort lautet: Nein. Wir hätten das einfach nicht gepackt. Es ist nach wie vor
unsere Großbaustelle Gesundheit, die unsere damalige Entscheidung als notwendig
erscheinen lässt. Ja, auch aus heutiger Sicht. Auch aus dem Abstand von
mehreren Jahren.
Ich bin nicht die belastbare,
geduldige und starke Mutter, die ich mir vorgenommen hatte zu sein. Und unser
Familienleben ist nicht so unkompliziert, wie es für Außenstehende auf den
ersten Blick vielleicht wirkt. Ein kleines Beispiel gefällig? Der Kinderarzt
schickte unseren Sohn letzten Herbst zur Logopädie, wegen Lispeln, an sich
keine große Sache. Aber sowohl das Kind als auch ich waren so häufig und so
langwierig krank, dass wir es einfach nicht geschafft haben, regelmäßig zur
Behandlung ins Nachbardorf zu fahren. Mein Sohn hatte allein in den
Wintermonaten neun Infekte, darunter ein paar echt heftige. Für die zehn
Therapie-Termine haben wir auf diese Weise mehr als ein halbes Jahr gebraucht.
Die Logopädin, die ja sehr viele und bestimmt auch andere infektanfällige
Kinder im Vorschulalter kennt, konnte bei unseren Absagen oft kaum glauben,
dass wir schon wieder krank waren.
Irgendwann haben wir
angefangen zu zählen: Mein Sohn sammelt jedes Jahr um die 20 Infekte auf. Ich
stecke mich fast immer an, liege dann mehr oder weniger parallel zu ihm flach.
Dazu all meine anderen medizinischen Probleme. Wir sind eigentlich nie richtig
gesund. Regelmäßige Verabredungen oder Kursteilnahmen sind uns nach wie vor
nicht möglich. Ich weiß wirklich nicht, wie wir als Familie obendrauf die
vielen Förder- und Therapie- und Arzttermine eines Kindes mit Down-Syndrom
hätten stemmen sollen.
Schon für mein erstes Kind
konnte und kann ich nicht so vollumfänglich Mutter sein, wie ich es gerne wäre.
Wie ich in früheren Kapiteln erzählt habe, gibt es dafür vielfältige Gründe.
Sie sind unter anderem auch darin zu suchen, dass das Schicksal mir schon in
jungen Jahren, noch lange vor meinen Schwangerschaften, gleich mehrere
tiefgehende Traumata zugemutet hat. Meine dadurch verursachte seelische
Schädigung konnte ich trotz verschiedener Therapien und Psychopharmaka nie so
recht in den Griff bekommen. Auf diese Weise wurde ich in der Vergangenheit
schon früh und immer wieder mit meinen Belastungsgrenzen konfrontiert. Die
Erfahrung hilft nun immerhin dabei, mich und meine Kräfte realistisch
einzuschätzen.
Eine der Lehren, die ich aus
alledem gezogen habe: Im Zweifelsfall ist es sinnvoller, eine vielleicht gerade
mal mittelmäßige Mutter für ein einzelnes Kind zu sein. Als sich mit zwei, drei
oder noch mehr Kindern (ich wollte ursprünglich vier) auf nicht absehbare Zeit total
zu übernehmen. Sodass sich die Belastung irgendwann in Gewalt, sei es körperlicher
oder psychischer Art, gegenüber dem eigenen Nachwuchs Bahn bricht. Solche
Misshandlungen habe ich selber wiederholt erlebt. Und hatte immer Angst, ebenfalls
zu einer prügelnden oder ihre Kinder emotional misshandelnden Mama zu werden.
In den meisten betroffenen Familien passiert so etwas ja nicht aus böser
Absicht, sondern aus einer permanenten Überforderung heraus.
Was ist, wenn eine Mutter
oder ein Vater schon mit nur einem Kind so leicht die Nerven verliert, dass er
oder sie es in kritischen Momenten beinahe
schlägt? Ich muss gestehen, dass ich in der Vergangenheit schon einige Male nah
dran war. Wann genau wird der Stress so groß, dass eine Situation kippt, dass
aus dem beinahe irgendwann ein
leider tatsächlich wird? Wenn ein zweites, drittes oder viertes Kind
geboren wird? Oder wenn eins davon behindert zur Welt kommt? Vielleicht sogar
mit mehreren Handicaps auf einmal? Die Grenzen anderer Eltern, die teilweise
noch mehr als all das schultern, mögen hier oder da oder noch ganz woanders
liegen. Es sind aber schlicht und ergreifend nicht meine oder unsere Grenzen.
Was aber macht nun die
Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch mit einem als Mutter, als Vater?
Welche Spuren hinterlässt ein solcher Schritt auf Dauer?
Vor vielen Jahren hatte ich
einmal die Eingebung, es müsse das Furchtbarste sein, was einem im Leben
passieren kann, schuld am Tod eines Menschen zu sein. Noch schlimmer: Am Tod
eines Kindes. Am allerschlimmsten: Am Tod des eigenen Kindes. Und genau dieses
Schreckensszenario ist für uns nun also Realität geworden. Niemals hätte ich
gedacht, dass mein Mann und ich mal ausgerechnet gegen das fünfte Gebot
verstoßen würden.
Seither haben wir, vor allem
ich, um unser lebendes Kind wohl noch mehr Angst als vorher. Vielleicht fürchte
ich ja doch, halb unbewusst, eine göttliche Strafe für mein Handeln? So oder
so: All die Sorgen, die sich schon durch meine drei Schwangerschaften mit den
insgesamt vier Babys aufgestaut hatten, lasten nun auf diesem einen uns
verbliebenen Sohn. Eine enorme Bürde für ein einzelnes Kind. Vielleicht hätten
sich ja meine oder unsere Ängste etwas gleichmäßiger und rationaler verteilt,
wenn Linus doch auf die Welt gekommen wäre? Vielleicht auch nicht. Vielleicht
hätten sich mit der Kinderzahl ja auch meine Ängste verdoppelt?
In früheren Zeiten haben mein
Mann und ich uns als moralisch denkende und handelnde Personen empfunden. Unser
Selbstbild war das eines christlich geprägten Paares, das jedes Kind so
annimmt, wie es ist. Das keine Unterschiede macht, keines bevorzugt. Das
versucht, jedem Kind gerecht zu werden, mit seinen ganz persönlichen Stärken
und Schwächen. An allen diesen Ansprüchen sind wir gescheitert. Mit dem
Schwangerschaftsabbruch haben wir somit nicht nur das Leben unseres Jüngsten
vernichtet. Sondern auch das Bild, das wir bis dahin von uns als Menschen, von
uns als Eltern hatten.
Mein Mann sagte nach der
Abtreibung über sich: Ich habe das letzte bisschen an Unschuld verloren.
Ja, das kann ich auch für mich so unterschreiben. Unsere Entscheidung
war wie der letzte Schritt heraus aus einem Paradies, in dem man bis dahin
unschuldig und friedlich gelebt hatte, ohne es zu wissen. Mehr noch als früher
fällt es mir nun schwer, fröhlich und unbefangen zu sein. Die Leichtigkeit ist
irgendwo auf der Strecke geblieben.
Es lindert unseren Schmerz,
dass es kluge Menschen gibt, die zwischen einer prinzipiellen und einer
pragmatischen Ethik unterscheiden. Erstere fällt glasklare und daher oft auch
sehr unbarmherzige Urteile, unabhängig vom Kontext. Letztere lässt zu, dass es
Situationen gibt, in denen man abwägen muss, in denen es einfach keine ideale
Lösung gibt. Diese Ethik besagt, dass auch das Auf-sich-Laden von Schuld eine
verantwortungsvolle und daher moralische Entscheidung sein kann.
Aus meiner Sicht habe ich
diese Schuld auf mich genommen, um andere Menschen zu schützen: Ja, mich und
meine Gesundheit natürlich. Aber ebenfalls meinen Mann, der schlicht und
einfach nicht noch mehr Aufgaben hätte übernehmen können. Und unseren
erstgeborenen Sohn, der wohl für immer im Schatten seines noch viel
bedürftigeren Bruders gestanden hätte. Nicht umsonst nennt man die Geschwister
behinderter Kinder ja auch so: Schattenkinder. Ich wollte unserem Großen durch
die Entscheidung gegen unser jüngstes Baby eine möglichst unbelastete Kindheit
retten. Mit so viel Liebe von Papa und von seiner angeschlagenen Mama wie
möglich. Schon so hat er ja eine spürbare Last zu tragen, viel mehr als andere
Kinder in seinem Alter. Wäre es richtig gewesen, ihm durch ein behindertes
Geschwisterchen noch mehr
Verzicht und Rücksichtnahme abzuverlangen?
Gleichzeitig fürchte ich das
Urteil meines Sohnes wie kein anderes. Bisher weiß er nur, dass er drei
ungeborene Geschwister im Himmel hat. Aber nicht, auf wie unterschiedliche
Weise diese in meinem Bauch gestorben sind. Mein Mann und ich wissen noch
nicht, ob und wann wir ihm mehr erzählen werden. Vielleicht geben wir unserem
Sohn irgendwann diesen Text zu lesen, wenn er groß ist. Was wird er dann von
uns als seinen Eltern denken? Wird er uns verzeihen können, dass wir ihm seinen
Bruder genommen haben? Wird er unsere Beweggründe verstehen? Oder wird er uns
ein Leben lang Vorwürfe machen?
Schon lange zeichnet sich
sein großes Mitgefühl mit allen Lebewesen ab. Im letzten Winter wies mein
Fünfjähriger eines Tages ganz betroffen auf den Boden:
"Mama, da strampelt eine Fliege hilflos auf dem Rücken!" – Ja, sagte
ich, die wird wohl in dieser Jahreszeit nicht mehr lange leben. – Mein Sohn
daraufhin: "Aber bitte nicht mit Absicht töten!"
Aber bitte nicht mit Absicht töten… Ich hatte sehr an diesem Satz zu
schlucken. Und musste nicht nur an unseren Linus, sondern auch an meine
Erzählung zu Beginn dieser Geschichte denken. Es ist schön und schmerzhaft
zugleich, dass mein Sohn die gleichen Werte verinnerlicht hat wie damals ich
als junger Mensch. Dass er so klar für den Schutz der Schwächeren eintritt.
Neulich haben er und ich gemeinsam hübsche kleine Schnecken von einem Gehweg
gerettet. Genau wie ich früher.
Ganze sechzehn Monate lang habe ich an
diesem Text geschrieben. Das Ringen um Worte hat mir immer wieder gezeigt, wie
viel Trauer auch mehrere Jahre nach dem Schwangerschaftsabbruch noch in mir
steckt. Manches konnte ich inzwischen aufarbeiten, doch die Zerrissenheit ist
mir geblieben. Kann es im Sinne meines jüngsten Sohnes sein, dass ich ein Leben
lang so schwer an dieser Schuld zu tragen habe? Ist es nicht vielmehr so, dass
gerade Menschen mit Down-Syndrom oft ein großes Herz haben? Dem es leichtfällt,
zu vergeben?
Ich weiß nicht, wo unser Linus jetzt
ist, und ob er dort noch all die Liebe spüren kann, die wir als seine Eltern
für ihn empfinden. Aber ich kann nun nichts mehr für ihn tun. Ich habe erkannt,
dass ich ihn loslassen muss, damit sein Vater, sein Bruder und ich wieder nach
vorne schauen können. Damit wir hier auf Erden unser Leben weiterleben können.
Damit auch Zuversicht und Lebensfreude bei uns wieder mehr Raum bekommen.
In diesem Sinne:
Flieg davon, Linus, kleiner Engel!
Wir hoffen, dass es dir gut geht, da,
wo du jetzt bist.
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Die Geschichte ist so traurig und sicher haben diese 90% die ein Kind mit Down Syndrom nicht wollen und sich dagegen entscheiden alle eine mehr oder weniger gute Geschichte und Gründe.
AntwortenLöschenDoch es gibt immer Gründe, wenn man welche sucht.
Wir leben in einer Zeit in der jeder nur nach Entschuldigungen für sein Handeln sucht. Am Ende bleibt die "Tat" aber die gleiche, egal welche Gründe.
Ein Mensch lebt nicht mehr, welche Gründe hätte er wohl angeführt um leben zu dürfen?
Schade, dass die ungeborenen Kinder keine Stimme haben
Ich finde deine Geschichte furchtbar traurig und eure Entscheidung auch sehr mutig. Aus einem Dilemma gibt es keinen richtigen Weg.
AntwortenLöschenMein kleiner Bruder war selbst sehr schwer behindert. Geistig war er aber vollkommen normal. Meine Eltern haben damals nichts gewusst und wir, seine Geschwister und unsere Eltern, haben ihn geliebt und lieben ihn noch, im April ist er mit 22 Jahren gestorben. Es bricht mir das Herz, dass er nie erfahren wird, dass er nächsten März Onkel geworden wäre.
Ein krankes Kind ist eine Aufgabe, und unsere Familie ist daran zerbrochen.
Es war nicht seine Schuld, aber genauso war es. Für unsere Eltern war es extrem schwer, mein Vater könnte nie wirklich akzeptieren, dass sein jüngster nicht so war wie seine beiden älteren Geschwister und meine Mutter war maßlos überfordert trotz eines Netzwerks das Unterstützung geboten hat. Meine Mutter erlitt einmal einen totalen Zusammenbruch und mein Vater hat sich von uns allen immer weiter entfernt.
Ohne meine Oma die immer wieder eingesprungen ist wäre unsere Geschichte wohl in einer Tragödie geendet.
So hatte er ein gutes wenn auch schweres Leben solange sein Körper mitgespielt hat und wir einen Bruder der geleuchtet hat, ein Kämpfer, der uns immer wieder ein Vorbild war.
Ich als Schwester bin härter geworden und stärker aber habe auch diese kindliche Naivität und Unschuld, die viele meiner Freunde hatten schon sehr früh abgelegt.
Mein Mann und ich machen keinen Test, der nicht im Mutter-Kind-Pass steht. Wir wollen es nicht wissen. Den wenn wir es wüssten weiß ich auch, dass es für mich gereicht hat meinen kleinen Bruder zu Grabe zu tragen und ich das bei meinem Kind auf keinen Fall ertragen kann.
Jetzt wäre es noch ein fremdes Wesen und wenn auch schwer aber ertragbar.
Gnädig ist diese Unwissenheit, den sie lässt uns Hoffnung.
Wenn ich etwas von all den Schicksalen gelernt habe, die einen unvermeidbar über den Weg laufen wenn man in Rehakliniken ist, dann das oft eine solche Entscheidung viel mehr Leid verhindert. Eine Bekannte von uns hat sich und ihrer Tochter das Leben genommen weil sie es nicht mehr geschafft hat. Und wenn man schon am Abgrund steht sollte man es nicht noch weiter riskieren abzustürzen, man reißt immer mehr mit als man denkt.
Lass ihn los deinen Kleinen, ein Leben ist immer nur jetzt und nicht damals oder dann. Niemand kann sagen was gewesen wäre und wie er oder sie in dieser Situation gehandelt hätte.
Hab keine Angst vor dem Urteil deines Sohnes, den wenn er so sensibel ist wie du ihn beschreibst wird er zwar sicher lange darüber nachdenken aber euch sicher nicht verurteilen.
Ich weiß, ich sollte mehr Verständnis aufbringen, aber ich kann es einfach nicht. Meine 10 Monate alte Tochter mit Down Syndrom schlummert grade ganz friedlich neben mir und ich weigere mich, das negative Bild, das hier von Menschen mit Down Syndrom gezeichnet würde, so stehen zu lassen. Ich habe nicht nur in meiner Arbeit als Sonderpädagogin etliche tolle Menschen mit besonderem Chromosomensatz kennengelernt, auch gibt es viele Menschen in den Medien, die zeigen wie es sein kann, mit Trisomie 21 zu leben. Was ist mit Nathalie Dedreux, die sich in der wahlarena mit Frau Merkel unterhielt? Was ist mit Pablo Pineda, der als Universitätsdozent arbeitet? Es macht mich ehrlich fuchsteufelswild, dass eine Therapeutin dennoch so ein negatives und Defizit orientiertes Bild zeichnet. Es tut mir leid, dass Sie, Valerie, körperlich wie psychisch angeschlagen sind und ihr erstes Kind Ihnen so viel abverlangt. Aber es schmerzt mich sehr, dass Sie Ihrem zweiten Kind nicht mal die Chance gegeben haben. Hätten Sie auch ein "normales" Kind abgetrieben? Mir fällt noch viel mehr ein, was ich Sie gerne fragen würde. Aber es wäre vielleicht nicht fair und es ändert ja auch nichts mehr. Aber alle 5 Berichte zusammen machen mich wütend und sehr traurig.
AntwortenLöschenIch bin unsagbar traurig über ihr Leben. Haben Sie, die sich und ihren Mann als christliches Ehepaar bezeichnen, mit Gott darüber geredet? Ja, er ist ein Vater, der uns versteht und unsere Sorgen wichtig nimmt. Er liebt uns und wird einen Ausweg zeigen! Er verurteilt uns auch nicht, auch wenn wir uns selbst verurteilen. Er hat etwas getan, was sie auch getan haben, er hat seinen Sohn geopfert, dass wir gut leben können. Sein Sohn Jesus musste für uns am Kreuz sterben. Er hatte nie etwas falsches getan aber wir leben in Sünde, die der reine und heilige Gott nicht sehen kann. Weil er uns aber liebt und Verbindung mit uns aufnehmen will hat er seinen Sohn geopfert. Wer den Tod Jesu anerkennt als Opfer für seine Schuld, der wird frei von der Belastung durch die Sünde. Lesen Sie in der Bibel! In Johannes 3 Vers 16 steht es! Wenn wir von Gott Vergebung angenommen haben können auch wir uns selbst und den Menschen, die uns böses getan haben, vergeben und brauchen nicht mehr unsere Traumata mit uns herum tragen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, lesen Sie Gottes Wort. Gott redet durch sein Wort zu uns!
AntwortenLöschen...Mega traurig, aber für mich persönlich absolut nachvollziehbar, auch mit weniger angeführten Gründen. Ich selber, Kinderkrankenschwester, habe Hochachtung vor jeder Mutter und jedem Vater, die sich bewusst für ein Kind mit Behinderungen, entscheiden. Aber ich könnte es nicht, es würde mich in allen Belangen überfordern und ich wollte es, ganz egoistisch, auch nicht. Mein ganzes Leben aufopfern für dieses Kind. Ich habe genügend Frauen/Familien gesehen, die daran zerbrochen sind, die nicht mehr Herr über ihr eigenes Leben sein konnten. Auch Gegenteiliges, aber das muss man wollen, bedarf unglaublich viel Kraft und Ausdauer (ein Leben lang!) und dafür muss man geschaffen sein. Ich bin froh darüber, dass es die Möglichkeit einer Entscheidung gibt. Die meine Entscheidung ist, egal ob sie wer anders nachvollziehen kann, oder nicht. Und niemand trifft diese Entscheidung leichtfertig oder ohne mit der Wimper zu zucken.
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