Montag, 3. September 2018

Gastbeitrag: Darum ist es mir wichtig, als Familienbloggerin politisch zu sein

Foto: ©Sonjaschreib.com mit freundlicher Genehmigung


Liebe LeserInnen von Jolinas Welt,


heute darf ich hier zu euch sprechen. Vielen Dank nochmal an Martina für diese Gelegenheit.
Ich bin Sonja und mir ist Gerechtigkeit wichtig. Mehr über mich erfahrt ihr gleich.

“Bitte kau nicht mit offenem Mund” , wer hätte gedacht, dass so ein Satz wiederum aus meinem Mund kommen würde. Ich jedenfalls vor ein paar Jahren noch nicht. Ich war doch mal gegen das Establishment, ich war für die Freiheit, für Punkrock und ein bisschen auch für Anarchie. Und wenn Kinder am Frühstückstisch nicht mal pure Anarchie sind, ja dann weiß ich auch nicht.  
Tja aber was antworten, wenn das Kind kauend spricht: “Das ist mein Mund, das entscheide ich selber”? Bämm, Mama! Schon anstrengend, wenn die eigenen Nachkommen einem in Punkto Schlagfertigkeit in nichts nachstehen. Ich versuchte es mit “Deine Freiheit endet, wo meine beginnt.” Ratlosigkeit schaute mir aus himmelblauen Kinderaugen entgegen. Kurz darunter ein zerkautes Wurstbrot aus dem noch immer offenen Mund.

“Also mein Kind, ich bin für deine Freiheit”, begann ich. “Natürlich kannst du das eigentlich selber entscheiden. Aber für mich ist es wirklich nicht schön anzuschauen. Also wenn du allein bist, kannst du gern essen, wie du magst. Aber wenn wir alle zusammen am Tisch sitzen, wäre es toll, wenn du den Mund schließen würdest.” Sie dachte nach, kaute noch einmal und schluckte dann runter. Die Luke blieb geschlossen. Ein Glück.


Warum ich all das erzähle? Weil ich finde, dass am alten Spruch “Das Private ist politisch” ganz viel Wahres in so vielen Ebenen steckt.

Von Grundwerten und anderen spießigen Sachen


Ich war schon immer politisch. Nur wusste ich das als Kind nicht. Und ich wette, ihr alle wart und seid das auch. Auch, wenn ihr gerade gar nicht daran denkt.

Mein Herzensthema ist Gerechtigkeit. Schon als Kind habe ich aus tiefstem Herzen nicht verstanden, warum Menschen unterschiedlich behandelt werden, nur weil sie andere Berufe, ein anderes Alter, eine andere Hautfarbe, Herkunft oder unterschiedliche Fähigkeiten haben.


Und ehrlich gesagt, verstehe ich es bis heute nicht. Wieso soll ich jemanden anders behandeln, nur weil er oder sie kleiner ist als ich? Oder halt ein anderes Chromosom hat? Jetzt mal ehrlich, was sagt denn das aus? Von anderen Menschen weiß ich doch auch nicht, was in ihrem Genpool so los ist. Und ich vermisse diese Info auch nicht.


Gründe jemanden doof zu behandeln, finden andere Menschen aber ja immer. Ich bin weiß und ich habe keinen Migrationshintergrund. Wenn man mal davon absieht, dass ich aus dem Ruhrpott nach Baden-Württemberg gezogen bin, was schon ein krass anderer Kulturkreis ist. Ich mein, ey, die fegen hier den Bürgersteig am Samstag. Freiwillig. Am Wochenende!! Das sollteste mal in Dortmund-Scharnhorst versuchen. Also ist der Begriff irgendwie auch schon schwammig definiert, wenn ihr mich fragt. Na ja, wie auch immer, ich gehöre jedenfalls zu einer Bevölkerungsgruppe, die selten Benachteiligungen erlebt. Gut, ich bin eine Frau. Ach so, ja, doch da gibt es natürlich Vorurteile und #metoo lässt auch grüßen. Und blond bin ich auch. Ups, schon wieder was entdeckt.


Vielleicht sollte ich das Schreiben über Politik besser lassen und mir die Fingernägel lackieren? Nee, natürlich nicht. Ja stimmt, Mutter bin ich auch noch. Aber trotzdem interessiere ich mich für mehr als Wäscheberge oder Staub unterm Sofa. Mir geht es um den Staub in den Köpfen.

Ich kann nämlich nicht verstehen, warum Menschen ernsthaft Angst vor anderen Menschen haben, nur weil die woanders geboren wurden. Ich mein, die Geburtsstationen in Deutschland sind doch eh überlastet. Wir können doch gar nicht alle auf einmal in Wanne-Eickel das Licht der Welt erblicken.

Also worauf wollte ich hinaus? Ach ja auf Grundwerte. Das sind diese spießigen Dinger, die unsere Gesellschaft zusammen halten. Da geht es um Freiheit, ihr erinnert euch. Und es geht auch um Gerechtigkeit, wir hatten es ja gerade davon. Und es geht auch um Sicherheit. Und das ist natürlich jetzt ganz schön blöd, dass so viele Menschen aus unserer Gesellschaft nicht mehr frei sind, zu reisen, wohin sie wollen.

Also nach Sachsen zum Beispiel, weil sie sich da nicht mehr sicher fühlen. Das ist auch echt ungerecht. Für meine Freundin Hindi zum Beispiel. Die ist Journalistin und dreifache Mutter. Eine kluge Frau und eine tolle Gesprächspartnerin. Aber halt mit dunkler Haut. Schockschwerenot.

Und das Hindi mit ihren drei wunderbaren, hübschen, klugen Kindern und dem netten Mann erstmal nicht mehr nach Chemnitz möchte, kann ich schon irgendwie verstehen. Aber es ist ungerecht. Zum Himmel schreiend ungerecht, dass sie sich wegen ihrer Haut(!!!) solche Gedanken machen muss. Ich mein, das ist doch völlig willkürlich. Ich hab am ganzen Körper Sommersprossen und das interessiert auch keinen Arsch.


Und deswegen möchte ich auch als Mama politisch sein.


Aber eben nicht nur am Küchentisch. Und als Familienbloggerin sind ja Worte halt auch mein Metier. Deswegen möchte ich euch nicht nur davon erzählen, wann wir mit Beikost begonnen haben, sondern eben auch davon, was ich gelernt habe, weil ich mit Kindern mit Behinderungen in eine Schule gegangen bin. Und da sind wir dann ganz fix bei Inklusion und Chancengleichheit und nicht nur bei Butterbroten in Herzchenform für die Pause.  

Es geht ja hier in diesen Familienblogs schließlich nicht nur um unseren Alltag. Sondern auch immer um die Frage, wie wir unsere Kinder vernünftig groß bekommen. Also welche Werte geben wir ihnen mit?

1. Ich möchte, dass meine Kinder auch als Erwachsene mit offenen Augen durch die Welt gehen.

2. Ich möchte, dass meine Kinder ihre Freunde danach aussuchen, ob sie zu ihnen passen und gern mit ihnen zusammen sind. Und nicht danach, ob sie Aaliyah oder Alina heißen.

3. Ich möchte, dass es für meine Kinder selbstverständlich ist, dass jede Arbeit in unserer Gesellschaft gleichwertig ist. Egal ob sie Putzfrau oder Ärztin werden. Ohne sauberen OP geht nämlich auch nichts.



4. Ich möchte, dass meine Kinder sich verlieben, in wen auch immer sie dafür geeignet finden.

Und deswegen werde ich meine Kinder auch wieder mit auf Demos nehmen und gegen die Ewiggestrigen demonstrieren. Ich werde mit ihnen sprechen und ihnen erklären, ich will mit ihnen diskutieren. Sie sollen ihre eigene Meinung bilden und kritisch hinterfragen und keine Angst vor Autoritäten haben. Auch wenn das heißt, dass sie zum hundertsten Mal die Füße auf den Tisch legen, obwohl sie genau wissen, wie kacke ich das finde.

Meine Kinder haben keine Behinderungen und wir kommen nicht aus einem anderen Land. Mein Mann und ich sind - wie langweilig - eben Mann und Frau. Verheiratet, Reihenhaus, mittleres Einkommen, gähn. (Achtung Allergiker, der Text kann Spuren von Sarkasmus enthalten!)

Aber unsere Freunde, unsere Geschwister, unsere Verwandten, unsere Bekannten sind kleinwüchsig, pflegen behinderte Kinder, haben Geschwister mit Down-Syndrom, sind mit gleichgeschlechtlichen Partnern verheiratet oder sind in Menschen von anderen Kontinenten verliebt. Und das ist auch gut so. Da hatte der Wowereit schon recht mit. Denn genau so möchte ich unser Land, unsere Gesellschaft, unser Europa. So möchte ich unseren Kindergarten, unsere Schulklasse, unsere Nachbarn.


Jeder ist ein bisschen anders und gemeinsam sind wir alle gleich.

Und deswegen bin ich auch als Mama politisch. Ich bin es, wenn ich meinen Kindern etwas beibringe. Wenn ich mit ihnen über Freiheit oder auch über Gerechtigkeit spreche. Und manchmal eben auch, wenn wir  über Tischmanieren sprechen.
Und natürlich bin ich auch politisch, wenn ich als Familienbloggerin zu euch schreibe. Ich bin Sonja, ich bin irgendwas alt und sehe irgendwie aus, aber mir ist etwas wichtig. Dieses Etwas heißt Gerechtigkeit. Und du? Wer bist du? Was ist dir wichtig?



Danke Sonja, der Text ist mega und passt so toll in die heutige Zeit. Ich habe Sonja übrigens in Mannheim auf der FamilyCon kennengelernt und sie war mein passendes Memorytäfelchen. Lustig war aber, dass wir das erst merkten, nachdem wir uns super unterhalten hatten. Die Geschichte gibt es hier.

Sonja schreibt auf: sonjaschreib.com Ihre Vorstellung dort übernehme ich etwas gekürzt
Hallo, ich bin Sonja. Ich bin mittlerweile Mitte 30, verheiratet und Mutter von zwei wunderbaren Töchtern. Ich komme aus dem Ruhrpott, lebe an der Bergstraße und bin beruflich oft in Frankfurt. Ich liebe es Mama zu sein aber ich liebe auch meinen Job und vor allem das Schreiben.
Das mache ich beruflich:
Ich arbeite als freie Journalistin u.a. für YOU FM, hr3 und die Multimedia-Abteilung des Hessischen Rundfunks und gebe auch Schulungen für angehende Journalisten und junge Redakteure.
Mit viel Herzblut arbeite ich außerdem gerade an meinem ersten Roman und habe schon wieder die nächste Idee für ein Sachbuch im Kopf .
Das ist mir wichtig:
Gerechtigkeit und Fairness sind mir sehr wichtig. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich oder jemand anderer ungerecht behandelt werden, dann platzt mir schnell die Hutschnur. Von hier aus ist es kein weiter Schritt bis zum Feminismus, der sich schließlich für die Gleichstellung der Frau einsetzt. Deswegen ist mir auch die Solidarität unter Frauen ein besonders wichtiges Anliegen. Ich halte nichts von Grabenkämpfen. Ich halte mehr vom Anpacken und Zusammenhalten. Vom Wissen weiter geben und gegenseitig unterstützen.
Sonja findet ihr auch auf facebook Instagram Twitter

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