Dienstag, 21. Oktober 2014

Gastbloggerin Maike: Familienleben mit Down Syndrom - 31for21




Heute bedanke ich mich bei Gastbloggerin Maike (fast 19)

die diesen Text vor ca. 2 Jahren verfasst hat.




Familienleben


Hier möchte ich einmal erzählen, wie ich das Leben mit meinem 16-jährigen Bruder, der, wie schon erwähnt, das Down-Syndrom hat, erlebt habe und mir weiter vorstelle:

Als mein Bruder Hendrik auf die Welt kam, war ich knapp 3 Jahre alt und hab ihn natürlich zunächst nicht anders wahrgenommen, als jedes andere Baby auch. Ich war einfach total stolz und glücklich, einen Bruder (den ich mir sehnlichst gewünscht hatte) zu haben und wollte ihn so schnell wie möglich zu Hause haben.

Leider hat das noch 12 Tage gedauert – aber dann war es endlich soweit und wir waren alle zusammen.



Auch die nächsten Jahre habe ich nicht als besonders anders empfunden, obwohl mein Bruder in dieser Zeit sehr oft krank war, wir viele Therapien mit ihm besucht haben und er häufig im Krankenhaus lag.
 Meine Erinnerung beginnt eigentlich erst mit Eintritt in den Kindergarten. Dort wurde mir von Anfang an klar gemacht, dass unsere Familie „anders“ ist als andere.
Die Kinder in meinem Alter, deren Eltern und auch die damalige Leiterin des Kindergartens haben mir unmissverständlich klar gemacht, dass ich eine Außenseiterin bin, alleine durch die Tatsache, dass mein Bruder eine Behinderung hat.
Ich wurde nicht zu Geburtstagen eingeladen, nachmittägliche Spiel-Verabredungen wurden verweigert und es wurde wissentlich geduldet, dass ich geärgert wurde.
Daraufhin hat meine Mutter veranlasst, dass ich eine andere Schule besuche als die Kinder aus meinem Kindergarten. Dort ging es mir wesentlich besser und Hendrik wurde von Allen so akzeptiert, wie er ist.

Nach meiner Grundschulzeit wechselte ich in die Realschule. Leider wurde es mir auch hier von meinem Klassenlehrer besonders schwer gemacht, obwohl seine Frau in Hendriks Schule arbeitet. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich permanent dazu berechtigt, mich vor der gesamten Klasse vorzuführen und kommentierte meine Fehler dann gerne mit „kein Wunder – bei der Familie“ oder im Sexualkundeunterricht sagte er einmal „mit behinderten Kindern kennt die Maike sich ja aus, oder?“, OHNE vorher nachzufragen, in wieweit meine Mitschüler über meinen Bruder informiert sind. Zum Glück haben sie nicht negativ reagiert, denn ich bin relativ offen damit umgegangen.
Bis heute ist mir diese Zeit als sehr belastend in Erinnerung geblieben.

Nach der 6. Klasse wurde ich in eine andere Schule versetzt und hatte das große Glück, auf sehr verständnisvolle und offene Menschen zu treffen, die mich, unabhängig von meinem Bruder, so akzeptieren, wie ich bin.

Das waren so meine Erfahrungen mit meiner Umwelt.

Ich persönlich empfinde meinen Bruder grundsätzlich als eine Bereicherung für mein Leben.
Ich habe mir nie die Frage gestellt, wie es wäre, wenn er nicht das Down-Syndrom hätte.
 Ab und zu wünsche ich mir allerdings, dass ich nicht auf ihn aufpassen müsste, sondern, wie alle anderen Teenies, kommen und gehen könnte, wie ich wollte.

Hendrik neigt hin und wieder aber dazu, Dinge zu tun, die ihn selbst und andere in echte Gefahr bringen (z.B. spielt er gerne mit Kerzen und dem Feuer), so dass er permanente Aufsicht braucht. Aber die meiste Zeit ist ja meine Mutter hier, so dass sich die Zeit, in der ich in meiner Freiheit eingeschränkt bin, in Grenzen hält

Ich bin mir sicher, dass mein Leben wesentlich anstrengender wäre, wenn ich einen "gesunden"* Bruder hätte.
Hendrik ist sehr unkompliziert, verständnisvoll und leicht zufrieden zu stellen. Auch wenn wir uns mal streiten (was selten vorkommt) habe ich ihn lieb.

Für Hendriks Zukunft wünsche ich mir, dass er eine Arbeit findet, die ihn erfüllt, die er gerne macht und die seine Fähigkeiten fordert und fördert.
Koch fände ich glaube ich ganz schön!!

Außerdem möchte ich, dass er sein Leben weitestgehend selbstständig und selbstbestimmt führt.
Eine betreute Wohngruppe wäre glaube ich eine gute Alternative für ihn.
Allerdings werde ich diese Entscheidungen, zusammen mit meiner Mutter, sehr kritisch betrachten und genauestens prüfen, wo er am Besten aufgehoben sein wird.

Und es wird für mich eine Selbstverständlichkeit sein, ihn sein (und mein) Leben lang im Auge zu behalten.



Autorin: Maike



Dieser Text zeigt schön das Auf und Ab

das man manchmal in Verbindung mit dem Down Syndrom erlebt.

Mir persönlich macht es große Hoffnung,

das meine große Tochter in 11 Jahren

den letzten Satz genau so schreiben wird.



* Sowohl ich als auch die Autorin wissen das Down Syndrom keine Krankheit ist und daher ist das gesund auch in Anführungszeichen gesetzt. 

3 Kommentare:

  1. Ein sehr schön geschriebener Bericht. Aber es schockiert mich unglaublich, wie mit der Autorin in Kindergarten und Schule umgegangen wurde, weil ihr Bruder das Down Syndrom hat. Ich hätte nie und nimmer geglaubt, dass es in der heutigen Zeit (und die Autorin ist ja auch noch sehr jung), vorkommt, dass ein Kind deshalb ausgegrenzt wird. Es käme mir nie in den Sinn, ein Kind egal ob mit oder ohne Behinderung in der Familie oder selbst in irgendeiner Weise auszuschließen.
    Auch die Worte des Lehrers sind absolut indiskutabel. Wie kann sich so jemand "Pädagoge" nennen? Boah, ich bin grad echt auf der Palme..
    Mein Mann sitzt aufgrund einer Querschnittähmung in Rollstuhl und bisher haben wir immer positive Erfahrungen gemacht, was unsere Mitmenschen betrifft. Gut, manche stellen auch richtig doofe Fragen oder haben unmögliche Vorstellungen, aber das Kind war bisher nie betroffen. Und es wäre zutiefst verletzend, wenn ich merken würde, dass unsere Tochter deshalb "Probleme" bekommen würde..

    Ich empfinde es als eine Bereicherung, wenn man mit den unterschiedlichsten Menschen aufwachsen darf und Kinder, die in Familien aufwachsen dürfen, wo ein Mitglied auf mehr "Hilfe" angewiesen sind, sind mit Sicherheit sozialer, offener und rücksichtvoller im späteren Leben.

    Ganz liebe Grüße
    Evelyn

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  2. Sehr schön geschrieben. Von dem Umgang mit der Autorin bin ich auch geschockt. Kinder sind gemein und grausam, aber erwachsene die sich auch noch Lehrer nennen, das hätte gemeldet werden müssen. Auch die Erzieherin hätte sich anders verhalten sollen. Unmöglich. Und einfach nur traurig. LG Alexa

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  3. Alles Gute Dir und Deinem Bruder Maike! Sehr schöner und ehrlicher Bericht, ich hoffe und wünsche Euch das ihr in Zukunft nicht mehr an solche Vollpfosten geratet die es leider überall zu geben scheint.
    Mein Sohn ist erst 5 mit DS, aber bisher haben wir deshalb noch nie solche Äusserungen gehört, er geht in einen Regelkindergarten und wird auch ab und an zu Kindergeburtstagen eingeladen. Ich weiss das es irgendwann auch bei uns mal kommen wird, das wir an solche bescheuerten Leute geraten, aber hoffe doch das der Tag noch fern ist und vor allem die lieben Menschen in der Umgebung überwiegen.

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