So werde ich Euch Stück für Stück erzählen, wie das so war, als wir plötzlich ein Kind mit Down Syndrom hatten und unser Leben einen kleinen neuen Impuls erhielt.
Heute: Fruchtwasseruntersuchung, oder doch nicht?
Eine Frage die ganz häufig gestellt wird ist: "Habt ihr ES eigentlich vorher gewusst?"
Meine Antwort ist dann immer ein klares "Jein!"
So einfach war es bei uns eben nicht, es lief alles etwas ungewöhnlich, aber normal kann ja jeder.
Teil 1
Da ich beim ersten Kind auf Grund
meines Alters praktisch zur Fruchtwasseruntersuchung gezwungen wurde
war es mir auch dieses Mal klar, dass ich auf Nummer sicher gehen
wollte.
Ich würde in die Uni Mainz fahren, die
würden mich in den Bauch stechen und 14 Tage später würde ich
wissen, dass alles okay ist und welches Geschlecht das Kind haben
würde.
Bei der ersten Schwangerschaft war ich
mir noch ziemlich sicher, ein behindertes Kind wollte ich nicht, war
aber froh diese Entscheidung nicht treffen zu müssen. Denn bei der
Fruchtwasseruntersuchung sah ich am Bildschirm, dass dieser kleine
Mensch da drin schon etwas von der Umwelt mitbekam und darauf
reagierte, das war kein seelenloser Zellhaufen bei dem ein
Herzchen schlug.
Louisa zuckte damals bei dem Nadelstich
zusammen und wurde dann ganz starr, sie hatte es gespürt, dass da was war, dieses kleine Wesen bekam schon etwas mit, wow. Das war der Moment wo ich mich zum ersten Mal so richtig als Mutter fühlte, nicht nur schwanger und von Übelkeit geplagt, das war MEIN Kind.
So waren meine Aussagen vor der zweiten
Fruchtwasseruntersuchung ganz anders. Hätte das Kind eine
Behinderung würde ich deren Schweregrad abwägen, ein offener Rücken
wäre ein Grund zum Abbruch, doch Down Syndrom wäre kein Grund.
Ich hatte gut reden, war ich mir doch
sicher mein Kind ist gesund, so etwas passiert nur anderen, nie einem
selbst. Und dann war da ja noch die Statistik.
Bei uns im Ort gab es einen kleinen
Jungen mit Down Syndrom, der war nur wenige Monate jünger als Louisa
und ab und zu hatten wir uns im Sommer auch im Schwimmbad getroffen
und die Kinder hatten ihren Spaß miteinander.
Wenn man nun davon ausgeht, dass von
1000 Kindern eins mit Down Syndrom zur Welt kommt, dann waren wir ja auch
noch gar nicht dran.
Ein Tag vor der
Fruchtwasseruntersuchung stellte mein Frauenarzt fest, dass die
Eihäute nicht verklebt seien und dann könne man keine
Fruchtwasseruntersuchung wagen, da es eher zu einem Abgang kommen
könne.
Es war übrigens genau auf den Tag der
gleiche Schwangerschaftstag als die Fruchtwasseruntersuchung bei
Louisa gemacht wurde.
Ich fuhr also schon mit der Annahme es
wäre umsonst in die Uniklinik. Nach ein paar Stunden Warten, einer
kurzen Untersuchung und mit einem neuen Termin eine Woche später
fuhren wir wieder nach Hause.
Eine Woche später, wieder nach Stunden
Wartezeit wurde mir gesagt die Eihäute wären immer noch nicht
verklebt und man könne mir einen Termin nächste Woche anbieten.
Irgendwie hatte ich schon damit gerechnet und mir darüber Gedanken
gemacht.
„Ich denke es soll wohl dieses Mal
nicht sein. Ich werde auf dieses Zeichen hören und auf die
Fruchtwasseruntersuchung verzichten.“
Im Nachhinein betrachtet ein sehr
denkwürdiger Satz.
Die Ärzte drängten mich jedoch dazu
einen großen Ultraschall bei ihnen in der Uni machen zu lassen.
Mit einem neuen Termin in der Tasche
machten wir uns auf den Heimweg.
Bis zur ersten „geplatzten“
Fruchtwasseruntersuchung war ich mir sicher einen Jungen zu bekommen,
leider, ich wünschte mir so sehr noch ein Mädchen und außerdem
hatte ich noch alle niedlichen, rosa Sachen von Louisa.
Bei der Untersuchung konnte ich selbst
das Geschlecht erkennen „Das sind doch Schamlippen, oder?“ und
die Ärztin verneinte nicht.
Wieso ich dachte es wäre ein Junge?
Nun ja, das Baby in meinem Bauch war so ruhig. Ganz anders als Louisa
und ich dachte mir, Männer kriegen doch ihren Hintern nicht hoch,
und dieses ruhige Kind, das muss ein Y-Chromosom haben, anders kann
es nicht sein.
Heute wissen wir, dass es nicht
das Y-Chromosom war das mein Baby so ruhig machte, sondern das dritte
Chromosom Nr. 21.
Ach ja, wollt ihr wissen was mir die
Ärzte beim ersten Versuch der Fruchtwasseruntersuchung sagten?
Ich erklärte, dass ich mich ja vom
letzten Mal schon auskennen würde und Trisomie 21 kein Grund
zur Abtreibung sei. Die Ärzte fragten mich dann was ich überhaupt
hier wolle, es würde eigentlich vorrangig nach Trisomie 21 gesucht
werden, klar es wären auch noch andere Untersuchungen möglich, doch
das würde aus Kostengründen nicht mehr gemacht.
Schluck, diese Untersuchungen sind also
alle dazu da um Kinder wie Jolina zu vermeiden. Aus
betriebswirtschaftlicher Sicht wahrscheinlich sogar ein gutes
Geschäft für die Krankenkassen wenn ich mir die Kosten betrachte
die meine Tochter bereits in ihren ersten Lebensmonaten verursacht
hat.
Am Tag des großen Ultraschall
herrschte dann Chaos in der Abteilung für Ultraschalldiagnostik und
Pränatalmedizin.
Die Ärztin die mich untersuchte machte
einen unerfahrenen Eindruck auf mich. Eine Stunde lag ich da mit
gelbeschmiertem Bauch. Alle Versuche das Kind in eine günstigere
Lage zu bugsieren schlugen Fehl. Diese Untersuchung hatte nichts
mit ein bisschen gemütlich Baby-Fernsehen gucken gemeinsam.
Sie versuchte alle Finger und Zehen zu
zählen. Nach einer kleinen Ewigkeit hatten wir zweimal zehn
zusammen. Das Geschlecht war nicht mehr zu erkennen und auch eine
Unregelmäßigkeit im Magen des Kindes die mein Frauenarzt im
Ultraschall gesehen hatte konnte sie nicht finden. Was dieser helle
Fleck im Magen war weiß man bis heute nicht, doch die Worte „Das
ist mir in 30 Jahren Berufspraxis noch nicht untergekommen.“ Hatten
mich damals schon ein wenig beunruhigt.
Die Untersuchung zog sich immer mehr in
die Länge, zwischendurch suchten verschiedene Ärzte ein wichtige
Software-CD, bis endlich der aus Verzweiflung gerufene Chefarzt der
Abteilung herbeieilte um auch mal auf, bzw. in meinen Bauch zu sehen.
Was für eine Wohltat, dieser Mann mit
dem unaussprechlichen Namen hatte Ahnung von seinem Fach, das
bemerkte ich gleich.
Ruck-Zuck hatte er den Magen gefunden,
„Da ist nix mehr, war wohl verschluckte Käseschmiere.“ Okay, das
war beruhigend, nur komisch, dass 30 Jahre lang kein Baby in der
Praxis meines Frauenarztes Käseschmiere geschluckt hatte.
„Aber da ist ein White Spot.“ „Was
bedeutet das?“ fragte ich. „Weißer Punkt.“ Bekam ich zur
Antwort; na herzlichen Dank, sehe ich aus als könne ich kein
Englisch? Doch dann erklärte er es mir doch.
„Wissen Sie man versucht schon lange
irgendwelche Marker zu finden die beim Ultraschall einen Hinweis auf
eine Behinderung geben. Früher galt dieser weiße Punkt im Herz noch
als Softmarker für das Down Syndrom, doch das ist heute nicht mehr
so. Es kamen viele Kinder gesund zur Welt bei denen man dachte sie
wären behindert und auch nicht alle Kinder mit Down Syndrom haben
diesen Punkt.“ Ich solle mir keine Sorgen machen.
Natürlich macht sich eine werdende
Mutter Sorgen, doch seltsamerweise war ich doch recht gelassen und
verdrängte diese Tatsache. Vor allem nachdem mein Frauenarzt ins
gleiche Horn stieß und meinte „Was ein Glück, dass Sie nicht in
Wiesbaden waren, die hätten gleich zugestochen.“
Das alles wiegte mich in Sicherheit.
Heute frage ich mich ob man in Mainz nicht auch „zugestochen“
hätte, wäre dort nicht Land unter gewesen. Immerhin gab es einen
Grund und es hätte Geld in die Klinikkasse gespült wo ich dann
sowieso schon mal dort auf dem Tisch lag.
Ich bin nicht gläubig, weder vor noch
nach Jolina, doch es könnte doch sein, dass es noch andere Pläne
als meine gibt. Eben einen großen Plan. Nicht durch ein höheres
Wesen, nein einfach so. Manche nennen es Vorherbestimmung, andere das
Schicksal dem man nicht entgehen kann.
Die Schwangerschaft ging weiter und ich
legte die Information die ich erhalten hatte ganz weit hinten in
meinem Kopf ab. Wenn man eine sehr quirlige zweijährige Tochter hat,
dann hat man auch wenig Zeit um Grübeleien anheim zufallen.
Vielen Dank für die Anfangsgeschichte, ich freu mich schon auf die Fortsetzung...
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Gabi
Wie spannend... auch wenn das Ende der Geschichte ja bekannt ist, macht es doch viel Spaß sie zu lesen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Bettina
Wir hatten gar keine pränatalen Untersuchungen. Nur die normalen 3 Ultraschalluntersuchungen. Und auch da hab ich zur Ärztin gesagt, sie soll mir nur schönes oder lebensbedrohliches (für mein Kind und mich) sagen.
AntwortenLöschenIch wollte auf keinen Fall eine Entscheidung treffen müssen, ob mein Kind leben darf oder nicht. Ich hab einfach darauf vertraut, dass alles gut wird. Und es ist gut. Mit Down Syndrom UND gut.
Ich bin sehr gespannt, wie es bei euch weiterging. Wenn es für mich auch nicht in Frage kam, finde ich es immer total spannend das zu lesen. Und da ich ja weiß, wie es bei euch ausging, brauch ich auch keine Angst über ein schlimmes Ende haben.
Liebe Grüße
Simona