Donnerstag, 2. Februar 2017

"Sie nähen selbst? Ist das denn günstiger?"

Ääähhhh, nö.

Langsam dachte ich ja, dass der Trend wieder selbst zu nähen auch in die hintersten Ecken der internetfreien Zonen durchgesickert ist.
Wenn schon Aldi und Lidl ständig Nähmaschinen im Angebot haben, muss man doch merken, dass es tatsächlich Leute gibt, die das machen.


Diese Woche kam ich mit jemand ins Gespräch.
Keine Freundin, keine gute Bekannte, eher jemand mit dem ich eine Geschäftsbeziehung unterhalte. (Hört sich das jetzt merkwürdig an? Nun ja, das Leben von Eltern mit behinderten Kindern ist in manchen Bereichen etwas merkwürdig)
Also, diese Frau erzählt mir plötzlich, dass ihr Vater damals wollte, dass sie Schneiderin lernt, nur dass sie zu Hause bleiben muss.
Die Logik erschließt sich mir daraus nicht wirklich, so lange man sich dann nicht selbständig macht, aber egal.
"Ach nee! Das wäre ja gar nichts für mich gewesen, dieser Kleinkrams da. Da hab ich gemacht was ich wollte"

Kleinkrams finde ich eher wenn man flicken muss oder Knopf annähen. Das mag ich auch nicht, aber nähen... nun ja... ich überlege kurz und greife zu dem neuesten Werk von mir, das vom Fotoshooting noch über dem Stuhl hängt.


"Also ich nähe. Das da habe ich gerade fertig."
So, jetzt hab ich mich geoutet.
"Das ist schön, für wen ist das denn?"
"Das ist für meine jüngste Tochter."
"Haben sie das gelernt?"
"Nö, ich bin ja eigentlich Banker, das mach ich einfach so."

Jetzt folgt ein langes Schweigen.
Zum einen wusste sie wohl nicht, dass ich mal Banker war, so ein typisches Feindbild des kleinen Mannes. Ja und was soll man sagen, wenn jemand "einfach so" näht.



Plötzlich fällt ihr doch etwas ein.
"Ja was kostet Stoff denn so? Ist das wirklich billiger selbst zu nähen? Man hängt da ja auch Zeit dran."

Ich freue mich ja schon, dass endlich mal jemand die Zeit würdigt die ich da rein stecke, doch billiger, nö, billiger ist es nicht.

Ich versuche ihr zu erklären, dass ich Wert lege auf hochwertige Stoffe und dass ich die waschen kann so oft ich will und danach Form und Farbe immer noch top sind.
Ich erkläre, dass ich Kinderarbeit nicht unterstützen möchte und Schadstoffe in den Kleidern nicht gut heiße.
Ich erzähle ihr, dass ein T-Shirt von kik für 2,99 wirklich nichts taugt und dass man günstiger fährt einmal etwas mehr aus zu geben, als ständig Neues zu kaufen und wieder weg zu werfen.

Ich finde ich erkläre das gut und schlüssig. Auch wenn diese Frau nicht so viel Geld hat muss ihr doch der letzte Punkt einleuchten.


"Also der Pulli da, den den ich gerade anhabe, der hat 10 Euro gekostet, der ist doch gut, den hab ich nochmal und der ist doch okay."

Hmmm, ich beende das Gespräch, weil man sicher auch für 10 Euro in einem Angebot etwas bekommt was "okay" ist. Ich kann ihr ja jetzt nicht in den Ausschnitt fassen und das Schild herausziehen und schauen was sie da gerade an hat.
Ich kann nicht verlangen, dass jeder sich Gedanken über die Herkunft seiner Kleider macht und ich habe auch ab und zu schon Klamotten gekauft die in keinem der von mir erwähnten Punkte "okay" waren, wer nicht? Gerade für mich selbst tue ich mir schwer mit den Eigenkreationen, das was mir gefällt, steht mir nicht, oder gefällt mir an mir nicht. Das was mir stehen würde springt mich oft als Schnittmuster nicht an. Da muss ich noch etwas an mir arbeiten, entweder im Nähbereich, oder an der Figur ;-)



Bevor ich andere im Kaufverhalten ändere, muss ich mich erst selbst ändern.
Doch was ich immer etwas befremdlich finde ist, dass immer noch die Meinung durch die Köpfe geistert, dass man selbst näht, weil es günstiger ist.
Ich muss denen sagen, gekauft ist meist preiswerter und oft billiger.
Ein Grund warum viele auch mit ihren DaWandaShops aufgehört haben ist, dass die ganzen Billigläden den Trend erkannt haben.
Klar, wer kauft schon ein handgenähtes Kosmetiktäschlein für 12 Euro (was noch günstig ist bei der Arbeitszeit und Materialkosten) wenn ein ähnliches für 4,95 zu haben ist und wenn das kaputt ist, fliegt es in die Tonne.
Mir fehlt bei vielen Menschen die Wertschätzung für viele Dinge.


Wenn ich ein Shirt selbst genäht habe und vielleicht noch Zeit mit Auftrennen und Fluchen verbracht habe, werde ich dieses Teil viel höher Wert schätzen, als eins, dass ich aus dem Wühltisch gezogen habe, ich werde es mit mehr Sorgfalt waschen und es nicht gleich wieder in die Mülltonne werfen.

Ich finde das Gejammere in Deutschland passt nicht zum Verhalten. Angeblich haben viele Menschen zu wenig Geld, wie kommt es aber, dass gerade diese ihre Dinge nicht wertschätzen, lieber teures Fertigfutter in sich stopfen, anstatt für die Hälfte der Kosten frische Lebensmittel kaufen.
Man muss nur mal schauen was eine Fertigpizza kostet und wie viel eine die man aus Mehl, Wasser, Öl, Tomatenmark und ein bisschen Belag selbst zaubert.

Wenn ich durch die vielen Blogs lese, denke ich, es wird besser, es erfolgt ein Umdenken, doch das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Bevölkerung, das Gros denkt leider anders.

Ich kann die Menschen nicht ändern, aber ich kann mich ändern und vielleicht findet das jemand gut, dann habe ich schon etwas gewonnen. Wie in der Kindererziehung hilft Dinge vorzuleben am besten.
Also nähe ich weiter Klamotten die nicht günstiger sind als gekauft, weil es zusätzlich Spaß macht und weil es absolute Unikate sind.


Das Unikat, das ich da trage ist jetzt das letzte Shirt aus dem Probenähen von Sandras Zipfelshirt in Folge, das ich Euch zeige und zu RUMS schicke.
Die Bilder hat Louisa gemacht, doch ich musste sie meist köpfen, denn zu dem Zeitpunkt war die Neurodermitis in meinem Gesicht noch so, dass ich am liebsten nicht rausgehen würde, geschweige denn, mich im www so zu zeigen ;-)

Erzählt doch mal, falls ihr auch näht, oder andere Dinge selbst macht, kocht, backt statt zu kaufen, mit welchen Reaktionen ihr schon konfrontiert wurdet.

Schnitt: Sandras Zipfelshirt*
Stoffe:  SterneSweat von Swafing, Sweat Geo Bear von AfS*
Fotos: LouforYou
Model: Frau JoLou
verlinkt zu: RUMS

21 Kommentare:

  1. Die Frage kenne ich auch. Dann sage ich immer, dass es nicht günstiger ist, mir aber Spaß macht und ein Hobby ist.
    So ganz verstehen können das Einige nicht, aber gut, sollen sie weiterhin Berge von Klamotten oder Taschen bei Kik und TKMax kaufen... Vielleicht kommt ja irgendwann doch das Umdenken.
    Dein Zipfelshirt ist klasse, ganz individuell und besonders 😍
    GLG Kerstin

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    1. Ich weiß nicht ob ein Umdenken kommt, aber vielleicht die nächste Generation, wenn so Leute wie wir es vormachen

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  2. Das Zipfetlshirt sieht toll aus.Als ich in der Arbeit erzählt hab das ich stricke und nähe , wurde gesagt so alt bist du doch gar nicht, das du oma sachen machst.
    Meine Mutter gehört auch zu den Leuten, die das selbermachen nur sehen das es günstiger ist. Das man das macht weil es Spass macht oder entspannt ( beides ist ja besser als Yoga ), ist für solche Leute schwer zu verstehen.
    Ich fand deinen Eintrag sehr bewegend.
    lg carlinda

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    1. Oh ja, gerade stricken wird ja den älteren Frauen zugeschrieben, weil das vor ewigen Zeiten mal so war, schon merkwürdig

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  3. Einen ganz tollen Beitrag hast du da geschrieben. Ich bin da deiner Meinung, ich achte zwar auch noch nicht ständig auf hochwertige Stoffe bin aber auf einem guten Weg :-) Denn man merkt doch schon die Unterschiede.
    Wenn ich erzähle das ich Handarbeite werde ich auch immer ganz erstaunt angesehen und die Preisfrage taucht auch immer wieder auf. Allerdings habe ich im letzten Jahr außer Unterwäsche und Strümpfen keine Kleidung gekauft. Dadurch natürlich weniger Teile im Schrank, aber im Preisvergleich war das Jahr auch nicht teurer als die in denen ich mehr Kleidung gekauft habe.
    Liebe Grüße Sandy

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    1. Das ist schon ne Leistung, gar keine Kleidung zu kaufen außer Wäsche, obwohl es durchaus machbar ist, man braucht nicht ständig Neues und mehr und mehr, nur weil man das so glauben gemacht wird.

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  4. "Ich kann ihr ja nicht in den Ausschnitt fassen ... " herrlich ... ich hab gelacht!!! Ich liebe deine Art zu schreiben nach wie vor!!!
    Klasse! ... mach weiter so ... mit dem Schreiben und dem Nähen!

    Liebe Grüße
    Naemi

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  5. Eine tolle Reaktion ist auch:"Du hast zu viel Zeit!" Nein, mein Tag hat 24 Stunden, nicht mehr.
    Ich nähe, koche, backe, ... vor allem, weil ich Freude daran habe und es schön finde, etwas entstehen zu lassen. Aber z.B. auch, weil mir wichtig ist, dass die Kinder eine große Vielfalt kennenlernen.
    Vielleicht ist es manchmal auch ein wenig der "Neid der Besitzlosen", die gern auch kreativ werden würden, sich aber selbst im Weg stehen?!
    Viele Grüße, Tina

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  6. Ich schließe mich Euren Meinungen an und kenne diese Fragen leider auch. Aber ein wenig Umdenken ist bei einigen schon da. Es braucht leider seine Zeit. Das Shirt sieht toll aus, gefällt mir sehr gut. Und bitte nicht beirren lassen. Herzlichen Gruß Sylvia

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  7. Ich naehe auch selbst! Und nein, es ist nicht billiger, aber nachhaltiger!
    Ich weiss gar nicht, ob ich uebers Naehen aufs Down-Syndrom gestossen bin, oder ob ey umgekehrt war; aber beides begeister mich. (Beitrag zur Inklusion ;-) )
    Deine Naehposts sind fuer mich die Highlights in diesem Blog!!! Insbesondere die Sachen fuer deine Toechter! Mir gefaellt es, dass du immer auf die "besondere" Passform bzw. Die Probleme beim Kleiderkauf fuer besondere Kinder hinweist! Mehr davon ;-).........je mehr dieses Thema oeffentlich wird, desto mehr Leute werden 1. Die Option des Selbernaehns als Option fuer ihre besonderen Kinder erkennen (scheint ein seeehr verbreitetes Problem zu werden und 2. Werden moeglicher Weise noch mehr "spezielle" Schnittmuster fuer diese besonderen Beduerfnisse kreiiert.......Grade jetzt bei der groesser-werdenden Jolina; vermutlich wird dieses Problem "passende Kleider von der Stange" mit zunehmenden Alter des Kindes eher groesser?!?
    Traegt deine grosse Tochter die genaehten Sachen auch in der Schule, bzw. "Outet" sie sich, wenn sie auf ein Kleidungsstueck angesprochen wird, dass es selbst genaeht ist??
    Kurz um bleib wie du bist und meeehhhhr Naehwerke!

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    1. Ja sie trägt sie und für sie ist es normal, dass Mama was näht, ihre Freundin die seit dem skie 2 bist nur Röcke trägt bekommt die Sachen von Oma genäht, die findet das dann auch nicht merkwürdig. Louisas Lieblingsshirt ist ein schwarzes selbstgenähtes

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  8. Das war ja wirklich ein sehr schöner Beitrag mit nachdenkenswerten Gedanken! Ich nähe seit ca. drei Jahren ALLE meine Kleidungsstücke selbst und die meisten Leute glauben wohl,dass diese Sachen teuer gekauft wurden - was heißt hier "Oma" und "früher war das so", über sowas setzen wir uns doch einfach hinweg, nicht war? Selbermachen macht glücklich! Mit herzlichen Grüßen Lisa Kohl

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  9. Zu mindest in deinen Posts sieht es so aus, als ob du am meistennfier Jolina naehst. Ist das "Zufall", oder liegt es tatsaechlich daran, dass es schwierig ist, geeignete "Kaufkleidung" zu finden? Gibt es bestimmte Schnittmuster bzw. Eine bestimmte Stilrichtung, die sich bei ihr besonders bewaehrt? Orientierst du dich eigentlich stilistisch an den Trends der Kaufkleidung oder schwimmst du eher bewusst gegen den Strom?
    Ich selbst versuche immer eine Bruecke zu schlagen zwischen den aktuellen Trends (um nicht zu sehr aufzufalle) und meinem Geschmack; uier gibt es naemlich meist grosse Unterschiede :-P

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    1. Inzwischen nähe ich mehr für Jolina weil Louisa aus den Kindergrößen raus gewachsen ist, die oft nur bis 140 bei den Schnitten gehen. Wenn wie bei rosarosa auch größere Mädels im Schnitt berücksichtigt sind bekommt sie auch was, meist nähe ich den Schnitt für beide, beim Probenähen wenn es von Louisa abgenickt wird und ihr nicht zu "kindlich" ist, das war früher anders.
      Deshalb nähe ich mehr für Jolina.
      Da ich oft neue Schnitte testen sind die an die aktuelle Mode meist angepasst.
      Für Jolina schaue ich immer, dass es lang genug über den Po geht, da die Hosen immer rutschen, egal welcher Schnitt.

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  10. An coolen Schnitten fuer grosse Maedchen empfehle ich "Lotty" von ki ba doo oder "Mariella" von Mialuna......

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  11. Tja, ich hab leider oft das Problem, dass die Stoffe (und auch Wolle) leider AUCH nicht unter besseren Bedingungen gewebt/gesponnen und gefärbt/gedruckt werden als das fertige Zeugs vom H*C*&*M*A ... und deshalb meine Nähfreude extrem gedrosselt habe. Lediglich Aus-alt-mach-neu geht derzeit noch.
    Und manchmal leiste ich mir Stoff aus Österreichs letzter Leinewebergegend im Mühlviertel. Teuer. Definitiv NICHT billiger als kaufen :-/ und wehe, man "verschneidet oder -näht" sich. Oder verkalkuliert sich. Dann: potenziert ärgern.
    Schönen sonnigen Samstag,
    Bettina

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    1. Ich achte darauf zum großen Teil GOTS zertifizierte Stoffe zu kaufen (zB bei Lillestoff) dort ist nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Arbeitsbedingungen in klare Regeln gefasst. Das ist GOTS: http://www.global-standard.org/de/the-standard/general-description.html

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  12. Liebe Martina,
    dein shirt ist wirklich toll geworden.
    Mir gefällt ja der Sweat Geo Bear Stoff super gut, den muss ich mir merken.
    Ich werde auch hin und wieder gefragt ob das Nähen günstiger kommt.
    Meine Antwort darauf ist dann immer "Nein, muss es denn?".
    Ich nähe einfach weil es mir Spaß macht und ich es klasse finde welche individuellen Teile man hat.
    Vor kurzem erst ist für den Großen eine 7 Tage Pulli Kollektion entstanden.
    Im Sommer werde ich dann wieder andere Projekte in Angriff nehmen.
    Im übrigen kaufe ich hin und wieder trotzdem auch billigere Kleidung, von Kik, Tedi und soclhen Läden muss sie aber nicht wirklich sein.
    Liebe Grüße Marie

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  13. Nähen IST aber billiger als kaufen - zumindest, wenn man nicht gerade alles aus Jersey macht. Wenn man sich im Schlussverkauf mit Stoff gut eindeckt, spart man auf lange Sicht, besonders, wenn man ne größere Größe trägt. Die meisten Sachen, die ich bereits genäht habe, waren auch nicht teurer als in den meisten Ketten - nicht unbedingt Primark, aber H&M und Orsay und sowas.

    Aber gut, T-Shirts und andere Sachen aus Sweat bekommt man zuhause nie so billig hin wie im Laden, das stimmt.

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