Dienstag, 7. Juli 2015

Schule ist besser als ihr Ruf

Über kaum etwas wird so viel gemotzt als über das deutsche Schulsystem.

Nicht mehr zeitgemäß
zu unflexibel
die Kinder müssen zu viel lernen
blablabla

Natürlich gibt es viele Punkte die man verbessern könnte.

Oder es wurde plötzlich etwas in den Lehrplan aufgenommen, was absoluter Schrott ist.

Inzwischen hat wohl auch der Letzte gemerkt, dass "Schreiben wie man hört" für die Erstklässer eher kontraproduktiv ist.
Für Eltern ist es übrigens die Hölle.
Das Kind macht seine Hausaufgaben und man weißt es freundlich darauf hin, dass man "für" nicht mit "v" schreibt und "Zimmer" mit "a" am Ende absolut nicht dem Duden entspricht.
Als Antwort wird man angeraunzt, dass die Frau A. aber gesagt hätte sie dürfen das so schreiben.

Manche Texte meiner Tochter musste ich mehrmals lesen um den Sinn dahinter zu verstehen, so abenteuerlich war ihre Auslegung der Rechtschreibregeln.
Wüsste ich es nicht besser würde ich auch mal behaupten 50% der Facebooknutzer haben auch so schreiben gelernt und meinen immer noch, dass man das so schreiben darf weil es Frau A. erlaubt hat.

Jetzt ist aber nicht beständiger als der Wandel und "Versuch und Irrtum" lassen uns oft besser daraus lernen als es nicht zu probieren.

Für die, die dann als Versuchskaninchen her halten müssen ist das erst mal blöd, aber das ist das Leben.

Ich könnte jetzt behaupten ich kann nicht gut Kopfrechnen weil an meiner Schülergeneration die Mengenlehre getestet wurde, aber wieso können das dann andere die mit mir eingeschult wurden?
Diese Ausrede verpufft also, aber ich kann immer noch die Schnittmenge der kleinen roten Plättchen bilden. (Wer jetzt nicht weiß von was ich rede musste niemals Mengenlehre ertragen)


Was mich jetzt aber zu diesem Post inspiriert ist die derzeitige Wetterlage.

Im Discounter heute morgen musste ich ein Gespräch zwangsläufig mithören weil ich unbedingt an die Schulhefte wollte.
Plötzlich wurde mir klar, dass Schule von heute gar nicht das Problem ist, sondern die Eltern und ihre Erwartungen, dass Schule immer genau auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sein soll und was andere brauchen/erwarten spielt gar keine Rolle.

Jetzt also zu der Wetterlage.

Wenn es früher zu meiner Schulzeit so heiß war scharten wir Kinder uns schon um das Thermometer das auf der Schattenseite des Schulgebäudes hing um zu sehen ob die Temperatur für Hitzefrei erreicht wurde. Wenn dies der Fall war gab es eine Durchsage und es war früher Schluss, wir Kinder freuten uns und Eltern fügten sich in dieses Prozedere, basta.

Als Grundschüler wurden die höheren Klassen einfach in den Bus der Erstklässer um 12:00 gequetscht und der spätere Bus abbestellt. Dann wurde man im Heimatdorf aus dem Bus "geworfen" und keinen interessierte es ob die Eltern noch auf der Arbeit waren oder nicht informiert waren.

Auch später im Gymnasium war ich dann im Alter von 10 einfach früher zu Hause, meine Mutter war noch zur Arbeit, aber ich hatte ja meinen Schlüssel und übrigens auch kein Handy um Bescheid zu sagen.

So war das eben und keiner hätte sich darüber beschwert.

Heute ist Hitzefrei ein Geschichte bei der man es keinem Recht machen kann.
Am Donnerstag war mein Mann auf der Schulelternbeiratssitzung und auch dort wurde das Thema durchgekaut.

Man kann den Kindern nicht frei geben ohne dass die Eltern informiert sind,
man kann die Kinder nicht einfach nach Hause gehen lassen,
wenn man Hitzefrei gibt muss man die Kinder trotzdem im Schulgebäude bis zum üblichen Schulschluss betreuen.

Leuchtet mir ein.
War ich früher noch ein Exot mit einer berufstätigen Mutter ist es heute üblich und wenn Mama erst kurz vor Eins nach Hause kommt möchte sie nicht, dass ihr 7 jähriger Sprössling schon um 12 nach Hause geschickt wird.

Sogar in unserer Tageszeitung wurde am Freitag ein großer Artikel genau diesem Thema und der Problematik gewidmet.

Jetzt zu dem Müttergespräch im ALDI das mich dermaßen auf die Palme brachte.
Da jammert die Mutter rum, dass es am Freitag kein Hitzefrei gab obwohl es so heiß war, sie wäre extra zur Schule gelaufen um den Sohn zu holen, da wäre die Klasse aber auf dem Spielplatz gewesen obwohl es dort doch auch heiß war und sie durfte den 9 jährigen Sohn auch nicht mitnehmen. Das ginge ja wohl gar nicht und sie befürchtet jetzt, dass wenn so etwas nochmal vorkommt ihr Sohn bestimmt krank würde.
Wenn es nochmal so heiß ist meldet sie ihn einfach krank.

Ich wäre ihr so gerne über den Mund gefahren, doch ich habe mir meine Rage dann für den Blog aufgehoben.
Da macht der Lehrer schon etwas vernünftiges und lässt den Unterricht bei dem Wetter ausfallen und macht etwas mit den Kids was Spaß macht und dann ist das auch nicht richtig.
Wie kann man nur auf die Idee kommen sein Kind einfach abzuholen obwohl offiziell Schulzeit ist, egal ob die jetzt Mathe büffeln oder schaukeln.
Es gilt gleiches Recht für alle und nur weil diese Mutter zu Hause ist und es sich leisten kann mal auf Verdacht zur Schule zu laufen, muss der Junge sich an die Regelung halten die auch für die Kinder gilt deren Eltern eben nicht um 12:00 Zeit für einen Dorfspaziergang haben.

Bei uns stand am Freitag übrigens im Hausaufgabenheft: "Ich erlaube Louisa bei Hitzefrei nach Hause zu gehen oder in die betreute Grundschule zu gehen." Hier musste ich ankreuzen und unterschreiben.
So klingelte es heute kurz nach 12 und Louisa hatte hitzefrei und auch die Betreuung der Kinder die nicht nach Hause dürfen war gesichert.

War Schule früher so flexibel? Nein, war sie nicht.
Keiner machte sich Gedanken was mit den Kindern ist wenn sie dann früher frei haben.
Heute wird hin und her überlegt und nach Lösungen gesucht und dann muss man sich im Discounter trotzdem Mütter anhören die nur an ihre eigene Situation denken.

Schule ist heute eine Institution die einen ständigen Eiertanz um die Bedürfnisse der Eltern aufführt.
So musste unsere Grundschule sich dem Willen der Elternschaft beugen Freitags keine Hausaufgaben mehr auf zu geben.
Begründung der Eltern. "Man wolle Freitags schon öfter mal das Wochenende einläuten und das ginge nicht wenn die Kinder dann da sitzen müssen und noch Hausaufgaben machen."

Aaaaahhhhhh!!!!!! Ich hatte Samstags Schule, wo kommen wir denn hin?

Heute muss jeder sein Kind aufs Gymnasium zwingen, egal welche Empfehlung vorliegt, dann wird aber gemault es sei alles zu schwer und zu viel für die Kinder.
Auch das mehrzügige Schulsystem wird als wenig zeitgemäß angesehen. Kann sein, aber mir persönlich hat es sehr gut getan, da ich ne stinkfaule Socke war hab ich immer nur genau so viel getan wie nötig. Hat locker so fürs Abi gereicht, wäre ich auf einer anderen Schulform gewesen, dann hätte ich mich bequem im Realschul- oder sogar Hauptschulzweig durchgechillt.
Es ist ja nicht so, dass es die Möglichkeit der Gesamtschule in Deutschland nicht gäbe, man muss sein Kind dann eben auch hinschicken.

Thema Noten, auch so ne Geschichte.
Ich bin so froh, dass meine Tochter seit der dritten Klasse ein normales Zeugnis mit Noten bekommt, das Gesülze der ersten beiden Jahre im Zeugnis erinnert stark an ein Arbeitszeugnis und ich wette viele Eltern können dadurch den Stand ihrer Kinder gar nicht klar einschätzen weil sie ja zB das Zeugnis der anderen nicht als Vergleich daneben liegen haben wo vielleicht nur ein Wort anders ist aber dadurch eine ganz andere Bewertung darstellt.
Ich lese so oft wie Eltern die Waldorfschulen über den grünen Klee loben, aber warum schicken sie ihre Kinder dann nicht dahin? Mein Ding ist es nicht, ich finde Leistung muss später auch gezeigt werden und am besten man gewöhnt sich früh daran.
Und so erziehe ich meine Kinder auch, sogar meine Tochter mit Down Syndrom, auch sie ist fähig Leistung zu bringen, eben in anderen Bereichen, aber sie darf und muss zeigen was sie kann, das macht mit der Zeit auch selbstbewusst weil man etwas gut kann und man lernt, dass es auch Dinge gibt, die andere besser können, doch das ist eben so und macht die Vielfalt der Menschheit aus und ist immer ein Gewinn.
Ich kann gut nähen und ich tausche unheimlich gerne Dinge mit jemand die tolle Seifen macht, das kann ich nämlich nicht und so läuft das doch in allen Bereichen.

Ich habe Azubis ausgebildet, ich könnte Bücher füllen,
Das beste war als ich im Beratungsgespräch mit meinem Bankkunden den Azubi fragte ob er schnell eine Unterlage kopieren könne. Antwort: "Nein! Ich bin hier um etwas zu lernen und nicht um Kopien zu ziehen." Mein Kunde saß da mit offenem Mund, ich stand auf kopierte die Unterlagen im Nebenraum und meinte zum Azubi: "Ach während ich kopiere erkläre dem Kunden doch mal die unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten." Als Antwort bekam ich einen leeren Blick.
Wer in der Schule schon nicht lernt, dass man sich an gewisse Dinge die gegeben sind einfach zu halten hat und von den Eltern noch gesagt bekommt "Von dem musst du dir nichts sagen lassen" der hat es später schwer. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass dieser Azubi nach seiner sogar recht guten Abschlussprüfung nicht von der Bank übernommen wurde, solche Leute braucht man später nicht und gut ist wenn man früh lernt ein Rädchen im Getriebe zu sein und nicht die Sonne um die sich alle Planeten drehen.
Die wenigsten werden Führungspositionen inne haben und dort sind die Besten die, die wissen wie es sich anfühlt nicht der große Zampano zu sein.

Das Schulsystem ist nicht schlecht, es gibt gute und schlechte Lehrer und es gibt sicher viele Lehrer die mit guten Vorsätzen in ihren Beruf gestartet sind und dann an den Forderungen von allen Seiten zerbrochen sind.
Früher war man an schlechte Zensuren selbst schuld weil man nicht gelernt hat. Heute ist der Lehrer schuld weil er nicht in der Lage war es jedem Schüler so zu vermitteln dass er es auch versteht.
Dies ist in gewisser Weise auch Aufgabe eines Lehrers, doch das hat Grenzen, dafür braucht man Förderlehrer und daran arbeit unser Schulsystem gerade, nur leider wird das nicht von heute auf morgen gehen und dafür wird auch Geld benötigt. Hier brauchen wir ein Umdenken der Politiker, doch ich bin mir sicher in ein paar Jahren schaffen wir auch das.

Die letzte Lachnummer über die ich schon geschrieben hatte sind die Bundesjugendspiele.
Wie weit sind wir schon, dass ein simples Sportfest in der Schule von Eltern als Folter ihrer Kinder hochstilisiert wird.

Oder wieso sollen sich Eltern in die Schulfächer einmischen? Meine Tochter ist nicht getauft, wir Eltern aus Überzeugung aus der Kirche ausgetreten, da es keinen Ethikunterricht an der Grundschule gibt hatte ich die Wahl zwischen evangelischem oder katholischem Religionsunterricht (nun ja, oder dem türkischen Heimatuntericht, hihi). So what, warum soll ich mich aufregen? Ich persönlich bin der Meinung Religion gehört gar nicht in die Schule, andere finden das aber gerade. Solange aber der Unterricht verbindlich ist schicke ich mein Kind hin und sie lernt etwas. Toleranz, Offenheit, geschichtliches, den Weg wie andere glauben und sich eine eigene Meinung dazu zu bilden.
Warum muss man jedes in Frage stellen nur weil es nicht zu einem persönlich passt?

Beim ersten Elternabend beschwerten sich Eltern, dass ihre Kinder 2 Stunden an den viel zu vielen Hausaufgaben sitzen würden. Meine Tochter und auch das Gros ihrer Freunde war in 15 Minuten mit ihren Hausaufgaben durch. Sind dann die Aufgaben wirklich viel zu viel oder ist das nur ein Problem mancher Kinder, die dann eben etwas länger brauchen, aber ich würde für einen Marathonlauf länger brauchen, so ca. 2 Wochen oder etwas mehr, deshalb heißt es aber nicht, dass ein Marthonlauf nicht machbar ist. Mit ein bisschen Training würde ich es sicher auch schneller schaffen (in einer Woche vielleicht ;-) ) , unterschiedlich sind wir Menschen eben, doch es kann nun mal kein Schulsystem geben das für jeden persönlich zugeschnitten ist.

Die Länder im Norden werden immer hoch gelobt für ihr Schulsystem, doch auch dort sind nicht alle glücklich. Klar die Eltern können arbeiten und müssen sich keine Sorgen um die Betreuung und Bildung ihrer Kinder machen, das übernehmen andere für sie. So hat mir aber eine Auswanderermutter schon berichtet, dass sie ihr Kind vermisst, dass sie das Gefühl hat in die Erziehung gar nicht mehr eingreifen zu können, da das ja schon früh von anderen übernommen wird und sie zu wenig Zeit mit dem eigenen Kind verbringen kann und ganz viel vom Leben einfach verpasst und das Kind nur noch zum schlafen nach Hause kommt.

Auch Inklusion ist in Deutschland noch in den Kinderschuhen, doch das hat einfach mit unserer Geschichte zu tun und es Jahrzehnte lang zB gar keine älteren Menschen mit angeborener Behinderung gab und man erst lernen musste welchen Wege die richtigen sind mit denen man nicht schon wieder alles falsch macht.

Ich wünsche meinen Kindern, dass sie später auf ihre Schulzeit mit einem Lächeln zurückblicken und dass sie ihr Bestes geben.

Natürlich ist mir klar, dass dies nur meine persönliche Meinung wiederspiegelt und andere genau das Gegenteil behaupten werden.

Wenn ihr kommentiert seid bitte fair und überlegt einfach, dass viele Wege nach Rom führen und man sicher einen findet der zu einem passt, es ist nicht dringend nötig noch eine weitere Autobahn dahin zu bauen, nur hier und da die Schlaglöcher ausbessern und darüber nachdenken, dass andere genau auf diesen Wegen nach Rom gereist sind.


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2 Kommentare:

  1. hallo,

    ich bin baujahr 81 und habe keine kinder. trotzdem bekommt man ja so einiges mit.

    ich bin mit 3 jahren alleine zum kindergarten gegangen und natürlich auch wieder zurück. meine kindersitterkinder mussten gebracht/geholt werden, obwohl sie nur über die straße mussten.

    im kindergarten der kollegentochter wurden jetzt die geburtstage abgeschafft, weil ja ein kind mit allergien dabei sein KÖNNTE. außerdem muss jegliches essen an der wand angeschlagen werden. sämtliche zutaten usw.

    gab es bei uns früher keine allergien oder war es uns einfach nur egal?! ich kann mich noch daran erinnern, dass eine klassenkameradin diabetes hatte. ihre mutter und sie haben darauf geachtet. WIR hatten damit nichts zu tun. es war auch kein großes gesprächsthema; es war halt einfach so.

    sonnige und warme grüße aus berlin, jana

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  2. Schöner Beitrag, komplett meine Meinung ;)

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