Dienstag, 13. Juni 2023

Buchtipp: Der 21-Jährige, der freiwillig in ein Pflegeheim zog und von seinen Mitbewohnern mit Demenz lernte, was Menschlichkeit bedeutet

 


Heute ein absoluter Buchtipp, bei dem der Titel schon ein halber Roman ist und mehr Text als der durchschnittliche Instagramnutzer zu einem Bild schreibt ;-)

Eigentlich sollte jeder zum Augen öffnen und Umdenken dieses Buch lesen.

Der 21-Jährige, der freiwillig in ein Pflegeheim zog und von seinen Mitbewohnern mit Demenz lernte, was Menschlichkeit bedeutet*

von Teun Toebes

Ich habe dieses Buch zum größten Teil in den Niederlanden gelesen und es geht auch um Pflegeheime in den Niederlanden, die bei uns in TV-Berichten immer super weg kommen und als innovativ vorgestellt werden.
Dem Autor ist auch bewusst wie gut die niederländischen Heime im Verhältnis sind und doch gibt es so vieles das man verändern könnte und müsste, auch in den NL.

Eigentlich haben mich die Missstände die Teun Toebes aufzeigt noch viel mehr gedanklich belastet als das bei Durchschnittslesern der Fall ist.

Meine Eltern sind beide über 80 und ich sehe gerade wie es ihnen sehr schnell schlechter geht und das macht mir Angst. Es ist ja nicht nur die Entscheidung zu treffen, dass es nicht mehr geht und ein Platz im Heim her muss, dieser Platz muss auch erst einmal frei sein.

Dann sind wir auch beide Mitte und Ende 50, ein Alter wo man langsam an später denkt.

Doch das was für mich am Schlimmsten ist, das ist der Gedanke, dass Jolina, mein Kind, vielleicht auch irgendwann genau diesen Heimstrukturen ausgeliefert sein wird.

Auch in den NL fehlt Personal und Zeit, dadurch entsteht eine Hierarchie, die dem Autor als Pfleger selbst nie so aufgefallen ist, doch als Heimbewohner trifft sie ihn mit Macht.
Die Pfleger haben das Sagen, wann wird gegessen, der Fernseher eingeschaltet, aufgestanden....

Selbst die Wahl der Vorhänge um sein Zimmer gemütlicher zu machen ist nicht so einfach, denn sie müssen dem Brandschutz gerecht werden und die Vorhänge sind teuer und potthässlich die man da bekommt.

Mich selbst gruselte die Vorstellung von einem Gemeinschaftsbad und auch von Zweibettzimmern, die in den NL inzwischen nicht mehr verbreitet sind.

Auch wie das so mit den Toiletten ist ist gruselig.
Es gibt nette Besucher WCs, es gibt die Toiletten für die Pflegekräfte und dann gibt es die für die Bewohner in denen es immer stinkt, weil dort auch das Inkontinenzmaterial entsorgt wird. Als Pfleger hat es den Autor nie gestört, als Bewohner fällt es ihm erst so richtig auf.

Es ist spannend, dass jemand der selbst in diesen Heimen gearbeitet hat erst als Bewohner vieles bemerkt und dann auch in Frage stellt.
Er ist ein großer Befürworter von Inklusion und wenn es hier auch um Menschen mit Demenz geht passt es ja auch viele Bereiche.
Warum können Heime nicht Teil von Begegnung sein? Kinder die auf ältere Menschen treffen, man sich gegenseitig Freude schenkt und dabei auch lernt durch die Begegnung.

Mich belastet unser System mehr und mehr, weil es nur bedingt zu uns Menschen passt.
Eigentlich sind wir in der Großfamilie am besten aufgehoben, Mütter wären entlastet, Alte hätten ihre Aufgabe und auch Versorgung. So hat der Mensch immer gelebt, als Jäger und Sammler, oder als er sesshaft wurde. 
Doch ich könnte mir niemals vorstellen noch in dem Kaff in der Westpfalz zu wohnen und meine Eltern sind dort verwurzelt und hier her ziehen würde alles aufgeben bedeuten.
Unsere Individualität und Freiheit ist Fluch und Segen zugleich.
Noch in meiner Kindheit war es teilweise so und noch ein paar Jahre früher auf jeden Fall. Jede Familie hatte ihren "Behinderten", ein Familienmitglied um das man sich kümmern musste, ob durch Alter, Unfall oder eben wie Jolina von Geburt an.
Das waren dann die unverheiratete Tante, oder der Onkel, der mit im Haus wohnte, oder der demente Uropa, der ab und zu mal gesucht werden musste.

All das was früher die Großfamilie an Aufgaben übernahm muss man heute einkaufen, auslagern, organisieren. Kinderbetreuung, Krankenpflege oder eben Hilfe im Alter bis zum Sterben in der Familie.

Wir werden es nicht mehr ändern können, doch vielleicht können wir unsere Lebensformen anpassen, das Buch zeigt auch, dass Familie auch Mitbewohner sein können, ganz ohne Blutsverwandtschaft.
Vielleicht ist das der Schlüssel für die Zukunft.

Du siehst, das Buch regt auch zu eigenen Gedanken an.
Ich danke dem Autor dafür

Das Buch gibt es im Buchhandel um die Ecke und natürlich bei amazon*

Die übrigens das sagen:
"Der Bestseller aus den Niederlanden: Ein junger Altenpfleger über das Leben im Pflegeheim

Jeder fünfte von uns wird am Ende seines Lebens an Demenz erkranken – und womöglich in einem Pflegeheim landen. Wie aber werden wir dort leben? Dieser Gedanke trieb auch Teun Toebes, 22, um. Er ist gelernter Altenpfleger, der auf Menschen mit einer Demenzerkrankung spezialisiert ist. Seit er seinen Beruf gewählt hat, fragt er sich, wie alte Menschen möglichst würdevoll ihren Lebensabend verbringen können. Um noch genauer zu verstehen, wie es den Alten im Pflegeheim geht, zieht er kurzerhand dort ein und lebt mit ihnen Tür an Tür. Es entstehen wunderbare Freundschaften, aber auch Innenansichten aus dem Alltagsleben im Heim, von denen er in seinem Buch erzählt. Getragen wird Teun Toebes dabei von einer Vision, wie wir besser mit Demenzkranken umgehen und ihnen ein besseres Leben ermöglichen könnten. Denn eines Tages werden wir womöglich selbst betroffen sein.

Der inspirierende Erfahrungsbericht eines jungen Altenpflegers, der seinen Beruf leidenschaftlich lebt und liebt - und ein wertvoller Beitrag in der sich verschärfenden Pflegedebatte, auch in Deutschland"





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Das Buch wurde mir zur Rezension überlassen, dadurch wurde dieser Bericht nicht beeinflusst und ich schreibe wie gewohnt 100% meine Meinung



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