Bei manchen Berichten müssen wir uns echt an den Kopf fassen.
Ich glaube als Erstes muss ich nochmal erklären was Inklusion eigentlich ist, denn man hört es ständig, doch so genau definieren können es nur die, die sich wirklich genau damit beschäftigen.
Hier hatte ich das mal in Bildern versucht zu erklären, aber nicht so ganz bierernst.
Die Aktion Mensch hat es ganz einfach in einem tollen, kurzen Trickfilm erklärt was Inklusion eigentlich ist, ich legen ihn euch zum Einstieg sehr ans Herz: klick
"Inklusion heißt wörtlich übersetzt Zugehörigkeit, also das Gegenteil von Ausgrenzung. Wenn jeder Mensch – mit oder ohne Behinderung – überall dabei sein kann, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Wohnviertel, in der Freizeit, dann ist das gelungene Inklusion.
In einer inklusiven Gesellschaft ist es normal, verschieden zu sein. Jeder ist willkommen. Und davon profitieren wir alle: zum Beispiel durch den Abbau von Hürden, damit die Umwelt für alle zugänglich wird, aber auch durch weniger Barrieren in den Köpfen, mehr Offenheit, Toleranz und ein besseres Miteinander." (Quelle: Aktion Mensch)
Inklusion ist aber keine Einbahnstraße.
Was will ich damit sagen?
Inklusion ist zum einen nicht das Mittel zum Zweck für sich, oder sein Kind alles durch zu drücken und sich nur die Rosinen aus dem Kuchen zu picken. (Also ich persönlich mag ja gar keine Rosinen, ich picke die immer raus und lassen sie am Tellerrand liegen)
Was ich damit sagen möchte ist, dass man durch Inklusion das gleiche Recht hat wie alle und dazu gehört auch, dass es mal nicht nur optimal läuft, so wie bei allen anderen auch.
Und Inklusion als Druckmittel zu benutzen um persönliche Wünsche durch zu setzen, schaden der Allgemeinheit manchmal schon sehr.
Inklusion ist ein Menschenrecht, das in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist.
Allein, dass die UN sich um dieses Thema gekümmert hat sollte ja schon zeigen, dass es hier um grundlegende Menschenrechte geht, wie Bildung, Gesundheit, oder Arbeit.
Ich glaube die Jungs und Mädels bei der UN haben in dem Moment nicht an Kindergeburtstage oder Kinderklamottenwerbung gedacht.
Aaaahhh, jetzt wisst ihr vielleicht schon worauf ich hinaus möchte.
Behinderung, allen voran Down Syndrom sind nämlich zu einer sicheren Einnahmequelle geworden. Für wen? Nun für die, nennen wir sie mal, nicht so seriöse Medienlandschaft, vor allem in sozialen Netzwerken.
Geschichten über "arme" Menschen mit Down Syndrom, denen ja so schreckliche ungerechte Geschichten passiert sind, werden aufgebauscht, dramatisiert und somit zum Garant von Klicks und Werbeeinnahmen. (Da möchte man den Artikel lesen, aber vorher klickt noch ein Werbefilmchen auf, an dem man nicht vorüber kommt, oder mitten im Text nette kleine Werbebanner.
(Ich hab ja auch Werbung im Blog, aber ich gebe Euch die Gelegenheit darüber weg zu sehen.)
Vor kurzem ging also die Geschichte von diesem Jungen, der gerne Model sein wollte durch die deutschen Netzwerke.
Ich muss noch erklärend dazu sagen, dass man als Blogschreiber auch ganz schnell in diese Fänge geraten kann, wenn einer dieser Hyänen mal eine Story gewittert hat, kommen viele andere die abschreiben und auch was abhaben wollen, von den Klicks der empörten Netzgemeinde.
mir hätte das locker mit diesem Post passieren können.
In dem ersten Artikel den ich gelesen habe war die Geschichte so verfremdet, dass ich dachte eine Mutter hätte ihr Kind mit Down Syndrom bei einer Modelagentur vorgestellt und die haben ihn nicht aufgenommen, weil sie keine Kinder mit Behinderung vertreten.
Oh wie schlimm!!!
Ääähhh, oder doch nicht?
Gerade diese Agenturen wählen doch ganz gezielt aus.
Man kann sie als großes Warenhaus sehen. Nur anstatt Pullis und Hosen haben sie Menschen im Angebot.
Wenn jetzt dieses Warenhaus denkt, seine Kunden möchten keine Shirts mit kurzen Ärmeln kaufen, dann legt es die nicht in die Regale, sonst bleibt es ja am Ende darauf sitzen.
Sollte jetzt aber eine Hitzewelle kommen und alle wollen T-Shirts, dann hat dieses Warenhaus die eben nicht und sich verkalkuliert.
An die Stelle von T-Shirts kann man jetzt also einsetzen: Menschen mit Übergewicht, oder Sommersprossen, blauen Augen, Schuhgröße 36, Behinderte.
Ich finde, dass auch Menschen mit Behinderung ihren Platz in der Werbung haben sollten, dies ist auch der Fall und zwar so, dass man es gar nicht sofort merkt. Das ist Inklusion, nicht wenn mit rotem Pfeil über dem Kopf des Betroffenen steht "schaut mal, wir sind Gutmenschen, wir nehmen sogar Behinderte für unsere Promotion"
(Passiert auf der Fashionweek.)
Das ist für mich keine Inklusion, sondern die zur Schaustellung einer Besonderheit, sobald es erwähnt wird, ist es vielleicht noch Integration, doch Inklusion ist stillschweigend, gleichberechtigt und unsichtbar in der Menge.
Zurück zu der Kindermodelgeschichte. Ich habe sie in den sozialen Netzwerken plötzlich von den unterschiedlichsten "Verlagen" um die Ohren gehauen bekommen und seltsamerweise, war bisher die von der Zeitung mit den 4 großen Buchstaben am besten recherchiert und wiedergegeben.
Es war keine Agentur, sondern eine einzelne Agentin für ein amerikanisches Modelabel. Die Absage war trotzdem damit begründet, dass die Agentur glaubt, dass sie ihre Umsätze nicht steigern kann durch ein Model mit Down Syndrom, die Firma glaubt, die Kunden wollen das nicht sehen, weiles nicht in der Beschreibung des Anforderungsprofils steht.
Das ist ihr gutes Recht, so wie sie vielleicht nicht glauben, dass rothaarige Models die Kunden zum kaufen inspirieren, oder Kinder mit Übergewicht, oder, oder, oder...
Ich benutze ein Kind mit Down Syndrom als Model, wie ihr auf den Bildern seht, aber das liegt auch daran, dass ich jetzt in dieser Kleidergröße nur dieses zur Verfügung habe.
Als ich mit dem Probenähen anfing war ich total unsicher ob das okay ist mit Jolinas Down Syndrom.
Natürlich ist es das, jedenfalls habe ich noch nichts gegenteiliges gehört, wäre das aber so würde ich es runterschlucken und auch irgendwie verstehen, denn Jolina hat keine Standardmaße um Schnittmusterpassformen zu testen.
Wie kommt man aber auf die Idee, dass jemand ein Kind mit Down Syndrom nicht als Model sehen möchte?
Ist diese Idee wirklich so abwegig?
95% der Kinder mit Down Syndrom die vorgeburtlich "entlarvt" werden, werden abgetrieben. Daraus könnte man dann ganz schnell den Schluss ziehen, dass Menschen mit Down Syndrom generell unerwünscht sind.
Ich kann Euch beruhigen, die Erfahrung habe ich selten gemacht. Ich glaube die Gesellschaft hat im Prinzip nichts gegen Kinder mit Down Syndrom, so lange es nicht die eigenen Kinder sind.
Inklusion ist keine Einbahnstraße heißt für mich, dass man die gleichen Rechte wie alle hat und dazu gehört auch das Recht mal nicht für so toll gehalten zu werden. Das Recht zu lernen mit Enttäuschungen umzugehen, das Recht nicht immer bevorzugt zu werden, das Recht für Leistung belohnt zu werden und nicht aus Mitleid.
Am besten funktioniert Inklusion in Familien.
Bei uns ist Jolina eben Jolina und nicht "das Kind mit Down Syndrom".
Wenn Jolina sich weigert etwas zu probieren was ich gekocht habe, dann bekommt sie keinen Nachtisch, genau wie Louisa.
Eigentlich habe ich mich die ersten paar Mal selbst bestraft, denn das Geschrei war keine Freude. Doch inzwischen hat sie es gelernt und oh Wunder, am Samstag hat sie sogar ein bisschen Sauerkraut gegessen.
Sie wird gleich behandelt, ich erkläre es vielleicht anders als bei Louisa, doch im Prinzip sitzt sie im gleichen Boot wie Louisa.
Würde ich jetzt denken "Ach, das kapiert sie ja sowieso nicht, lassen wir das ganze und sie isst eben nur ihre Kartoffeln" ist das alles, aber sicher keine Inklusion. Nennen wir es doch beim Namen "Extrawurst"
Dank Inklusion hat Jolina das Recht auf eine Regelschule zu gehen. Wir sind unendlich glücklich darüber, dass das hier wirklich gut funktioniert. Was allerdings nicht ins Inklusionsrecht gehört ist, die Garantie, dass Jolina Freunde findet.
Ich bin ehrlich, das war meine größte Angst und sie war so unbegründet.
Zum ersten Mal in ihrem Leben erlebt Jolina wirklich Inklusion. Im Kindergarten lebte sie Integration und doch waren ihre Freunde immer Kinder mit Behinderung. Dies ging nicht von den anderen Kindern aus, jedenfalls nicht nur. Es ist auch nicht schlimm, denn fassen wir uns doch mal an die eigene Nase, wir suchen uns doch auch Freunde die auf unserer Wellenlänge liegen.
Ich hätte nie geglaubt, dass Jolina so schnell Freunde findet in ihrer Klasse und dass es so unkompliziert ist.
Das ist aber nicht garantiert, denn eine Schulklasse besteht aus Menschen, kleinen Menschen, aber einem zusammengewürfelten Haufen Menschen die total unterschiedlich ticken und um so mehr Menschen zusammen kommen um so größer ist die Chance, dass auch ein A-loch dabei ist, oder jemand der andere nieder macht um selbst besser da zu stehen.
Das kann jedem überall passieren und natürlich kann man nicht einfordern gemocht zu werden, das hat die UN sicher nicht im Hinterkopf gehabt.
Vielmehr gibt die Inklusion jedem die Möglichkeit Freunde zu finden, oder eben vielleicht auch Feinde.
"Auch Behinderte haben ein Recht, verarscht zu werden" von Herbert Feuerstein (*1937) schlägt genau in diese Kerbe.
Warum fühlen wir uns dabei so unwohl? Weil es einfach den feinen kleinen Unterschied gibt.
Stellen wir den Menschen nun bloß wegen etwas das er nicht ändern kann, oder ist der behinderte Mensch einfach nur im Fokus einer "Verarsche"
Bei uns zu Hause geht es nun wirklich nicht total ernst zu, das könnt ihr eich ja sicher gut vorstellen und es wird auch über jeden mal gelacht.
Für den der gerade Grund für unsere Heiterkeitsausbrüche ist ist das natürlich nicht angenehm, aber auch über Jolina lachen wir, denn auch sie macht manchmal Dinge die in dem Moment witzig sind. Natürlich ist sie dann ähnlich beleidigt wie Louisa, doch auch das ist total normal, wer wird schon gerne ausgelacht.
Ich finde jemand der das ganz toll macht ist Ninia LaGrande, sie zeigt, dass es okay ist auch über sie und ihre Erlebnisse zu lachen, in dem Moment sind die Situationen lustig, nicht sie selbst. Kein Mensch ist eine Witzfigur, aber manchmal eben witzig. Was Ninia über "Behindert" in der Umgangssprache hält habe ich euch hier schon gezeigt.
Hat mein Kind das Recht auf einen Kindergeburtstag eingeladen zu werden?
Ich würde sagen genau wie jedes andere Kind auch. Jolina wurde im Kindergarten in diesen 4 Jahren nicht von einem Kind eingeladen, ich empfand das als verständlich, denn ob die Kinder mit denen sie ganz eng spielte überhaupt eine Party feierten wusste ich nicht.
Als Jolina jetzt in der Schule zu einem Geburtstag eingeladen wurde hatte ich selbst das größte Mix an Gefühlsregungen, dass ich fast gar nicht fähig war überhaupt eines dieser Gefühle raus zu lassen.
Unglauben, ob ich mich nicht verhört hätte.
Freude, dass es tatsächlich so weit war.
Angst, ob das ohne mich oder Begleitperson auch wirklich gut geht.
Unsicherheit, ob sie nicht nur aus Pflichtgefühl eingeladen war.
Trauer, weil mein Kind 7 werden musste um endlich irgendwo dazu zu gehören.
Ich könnte jeden verstehen, der Jolina nicht einläd aus den unterschiedlichsten Gründen.
Ich selbst habe Louisa mal genötigt ein Mädchen einzuladen, weil ALLE anderen Mädchen der Klasse eingeladen waren und sie nur diese eine nicht wollte.
Hätte ich das doch nie verlangt, ich glaube bereits im ersten Viertel der Party hätte ich dieses Gör am liebsten nach Hause gefahren. Sie wollte die Hauptperson sein, sie fragte nach dem sie einen Preis für ein Spiel bekommen hat ob das jetzt schon alles sei was sie bekommt, alles war ihr zu blöd, versaute den anderen die Stimmung.... warum hatte ich nur Angst sie könne traurig sein nicht eingeladen zu werden?
Kinder haben oft ein gutes Gespür mit wem sie feiern wollen und mit wem nicht und manchmal ist es auch für den der nicht eingeladen wird besser, wenn zB Dinge gemacht werden an denen er nicht teilnehmen kann. Dann ist es aber die Party eines anderen und es ist okay, dass dort Dinge gemacht werden die dem gefallen, Rücksicht nehmen kann man dann wieder an den anderen 364 Tagen.
Diese Geschichte von der traurigen Mutter ging Anfang des Jahres durchs Netz. (Achtung, der Link ist natürlich wieder nur auf Klicks aus) Nur hat man immer nur ihre Stimme gehört, nie die der anderen, vielleicht war die Party einfach nicht geeignet für den Jungen, oder er nennt zwar zu Hause die Namen seiner Mitschüler, was aber noch lange nicht heißt, dass er auch wirklich mit ihnen etwas zu tun hat. Ich finde es immer wichtig beide Seiten zu hören und es ist immer leicht ein Fass aufzumachen und alles auf die Benachteiligung durch die Behinderung zu schieben.
Ich persönlich habe auch schon Behinderte (nicht Down Syndrom) kennengelernt die solche Kotzbrocken sind, dass ich nichts mit ihnen zu tun haben möchte, da ist einfach menschlich was schief gelaufen, das macht keine Behinderung wieder gut. ;-)
Als Abschluss zu der Geschichte mit dem Model kann ich nur sagen, natürlich gibt es die, denn Jolina hat mit vielen anderen den Schnitt "Lottis Zipfelshirt" präsentiert, ganz ohne Extrawurst und wenn eine andere Schnittmustererstellerin mich zB niemals in ihr Team nehmen würde weil sie denkt es könne ihr schaden, weil ich eben ein Kind mit Down Syndrom als Model benutze muss ich das genau so akzeptieren wie wenn diese mich ausschließt, weil meine Bilder merkwürdig sind, oder das genähte nicht ihren Geschmack trifft.
Inklusion mit dem Holzhammer kann nicht funktionieren, was es braucht ist Zeit (die uns weg läuft, siehe 95%) und was wir verstehen müssen, dass Inklusion kein Zaubermittel für persönliche Höhenflüge und Selbstdarstellung ist.
Erst wenn die Behinderten unbemerkt in der Masse untergehen, dann ist Inklusion geschafft.
Schnittmuster: Lottis Zipfelshirt von MiToSa-kreativ*
Stoffe: Alles für Selbermacher* by Andrea Lauren
genähte Größe: 116
Model: Jolina
Fotos: ©JoLou
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