Freitag, 30. Juni 2017

Der Blumengarten der Inklusion blüht

Wer uns bei Instagram verfolgt hat heute das Bild zweier strahlender Mädchen gesehen mit ihren Zeugnissen in der Hand
Wie konnte das so schnell passieren? Das Schuljahr ist ja im Eiltempo vorüber gerauscht.

1 Jahr als "Inklusionskind" in der ersten Klasse - 1 Jahr ein glückliches Kind - 1 Jahr wo Jolina uns immer wieder aufs Neue überrascht hat - 1 Jahr in dem sie ganz selbstverständlich mit in die Klassengemeinschaft gewachsen ist - 1 Jahr in dem ihre Schulkameraden so viel positives für ihr Leben mitgenommen haben, ohne es selbst zu merken - 1 Jahr das komplett rund gelaufen ist - 1 Jahr in dem Inklusion funktioniert hat und viele negative Berichte Lügen straft.



Bis zu ihrem Schuleintritt war Jolina wie eine süße, bezaubernde Knospe.
Bei manchen Blumen muss man genau darauf achten, dass man genug gießt und es ausreichend Sonne gibt, damit sie aufblühen. Auch zu viel des Guten kann schaden und so muss man genau den richtigen Weg finden diese Knospe zum aufblühen zu bringen.
Oft ahnt man auch nicht, welchen Duft diese Blüte haben wird, oder auch in welchen Farbe die Blütenblätter leuchten werden.

Jolina ist im letzten Jahr zu einer duftenden, leuchtenden Rose erblüht und das verdankt sie der richtigen Dosis Förderung und Fürsorge an ihrer Schule.






Es gab Zeiten, als Jolina 6 Jahre alt war und eigentlich eingeschult werden sollte, da konnte ich mir sie einfach nicht in der Schule vorstellen. Sie war noch nicht so weit, so wie man ein 4 jähriges Kind auch noch nicht in die Schule schicken würde, es würde einfach mehr schaden als nützen.

Genau dieses Jahr Wartezeit war richtig, damit Jolinas Knospe schön rund und fest werden konnte. Eine Knospe, die man zum blühen zwingt, wird nicht schön werden und schnell ihre Blätter verlieren.

Wir waren uns immer sicher, dass der Weg der inklusiven Beschulung genau richtig ist für unser Kind. Jedenfalls so sicher wie man da eben sein kann. Es wäre falsch zu sagen, dass wir keine Zweifel hatten, oder sogar Ängste.
Es gibt so viele Unbekannte in dieser Rechenaufgabe, dass man das Ergebnis wirklich nur abschätzen kann.

Wir blieben fest, trotz aller Bedenken die von außen an uns heran getragen wurden.

Eine Ärztin meinte, es sei nicht gut, wenn Jolina das schwächste Glied in der Kette sei und niemanden hätte, der noch mehr Hilfe braucht als sie.
Dazu kann ich nur sagen, einer muss immer der Langsamste sein und es ist gut, wenn dieser Mensch wo anders Stärken hat und die hat meine Tochter. Sie ist willensstark und weiß genau was sie kann und was nicht und sie ist offen und geht auf andere zu (falls sie die mag)
Es hat Jolina nicht geschadet, dass sie das einzige Kind in der Klasse ist, das etwas mehr Hilfe braucht, sie kennt es nicht anders und traurig ist sie jedenfalls bis jetzt nicht darüber.

Eine andere Mutter erzählte, dass es ja gar nicht so wäre mit den Förderlehrern und die wären ganz oft nicht in der Klasse und auch mit den I-Kräften wäre es eine Katastrophe.
Natürlich kann man sich über alles aufregen und sich an Dingen aufhängen, die eben passieren und nicht änderbar sind.
Jolina reicht die Stundenanzahl mit ihrer Förderlehrerin aus. Noch mehr könnte sie gar nicht verarbeiten. Sie hält einfach nicht so lange durch und zu viel schadet einer Blüte auch. Zu viel Wasser lässt sie faulen.
Auch mit der I-Kraft ist gar nichts eine Katastrophe. Jolina war noch nie alleine in der Schule und als ihre Integrationshelferin krank war oder eine längere Zeit in Kur, dann bekam sie immer jemand zur Seite gestellt. Manchmal klappt das dann halt nicht so gut, weil es sonst ein eingespieltes Team ist, oder weil Jolina die Kraft einfach nicht mag. Dann mache ich aber keine "Wellen in den Pudding", denn ich weiß, das ist eine kurze Zeit, die muss man überbrücken und das geht eben auch, es kann nicht immer nur alles perfekt laufen, wer das glaubt hat wohl noch nicht wirklich am Leben teilgenommen, es läuft doch eher immer irgendwas nicht wie geplant, na und, dann kommt Plan B oder C zum Einsatz.

Bekannte hatten Angst, dass die fremden Kinder gemein sind.
Ich gebe zu, die Angst hatte ich auch, doch die war unbegründet. Ich erwarte nicht, dass jeder der beste Freund meiner Tochter ist, das wäre schräg und unglaubwürdig, so etwas gibt es doch nie. Sie hat ein paar wundervolle Freundinnen gefunden, die sie so nehmen wie sie ist. Welchen größeren Traum könnte man für sein Kind haben? Mir stehen jetzt beim Schreiben gerade wieder die Tränen in den Augen. Mit das wichtigste das wir neben ein bisschen lesen und schreiben lernen aus der Schule für unser späteres Leben mit nehmen sind die Erfahrungen die wir mit unseren Freunden machen.



Jolina hat ihre Blüte nur zaghaft geöffnet, doch seit einigen Monaten blüht sie. Sie blüht, dass es eine Freude ist und ihr Duft ist süß und verführerisch.
Nein, sie wird niemals einen Wettbewerb gewinnen zur edelsten Rose der Ausstellung, doch das ist nicht unser Ziel, sie soll Freude bereiten und auf ihre Art schön sein und nicht nach Wettbewerbstkriterien.



Jolina überrascht immer wieder, vielleicht weil wir nichts als gegeben voraussetzen, jeder Schritt nach vorne ist für uns ein Fest und wird gefeiert.
Sie erstaunt uns immer aufs Neue. Ich vergesse nicht unsere erstaunten Gesichter als sie auf das Innere eines aufgeschnittenen Apfels im Herbst zeigte und meinte: "Kerngehäuse".
Jetzt vor Ostern erklärte sie uns, dass die Ohren des Hasen Löffel heißen und das Schwänzchen Blume.
Mehr wollen wir ja gar nicht. Sie lernt mit den anderen mit und zieht so viel für sich heraus was sie für sich verarbeiten kann, sicher wissen die anderen Kinder mehr über den Apfel, oder den Hasen, aber wir starten ja außer Konkurrenz, sie muss das gar nicht alles wissen.

Das erste Schuljahr hat aus ihr so viel herausgekitzelt, das wir vor einem Jahr nicht für möglich gehalten hätten. Sie malt schön aus, schreibt Buchstaben die man erkennen kann, hat sich sogar auf Zahlen und das Zählen eingelassen, was ihre Großbaustelle ist. Wir sind zufrieden, dass es überhaupt vorwärts geht, wie schnell, das bestimmt Jolina.



Ich würde vielen Kindern etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit ihnen wünschen, nicht jeder wird ein Professor oder taugt überhaupt zum Studium. Dies müssen aber die Eltern erkennen und nicht einem Traum nachrennen, dass das eigene Kind alles erreichen muss.

Lernen muss Spaß machen, wenn zu viel verlangt wird und immer nur an den Besten gemessen wird, dann zwängt man sein Kind in eine Rolle der es nie gerecht werden wird. Im Gegenzug ist unterfordern natürlich auch wie Gift, oder Schlafmittel. So geht es vielen behinderten Kindern an Förderschulen, die diesen Schülern selbst nichts zutrauen und es gar nicht erst versuchen, natürlich ist es bequem zu glauben, da kommt nicht mehr viel, also warum anstrengen?
Knospen darf man nicht einfach sich selbst überlassen ohne Wasser und Sonne in einem dunklen Keller, dann werden sie nie erblühen.



Natürlich bin ich nicht die, die es immer richtig macht, oh nein. Jolina ist ja nicht mein einziges Kind und gerade bin ich dabei meiner Großen, an der die Pubertät und der Schlendrian schon sehr nagen Feuer unterm Hintern zu machen.
In ihr steckt eine tolle Rosenblüte, nur leider hat sie nicht wie Jolina alle Zeit der Welt um sich zu überlegen, ob sie jetzt blühen möchte, oder dann doch lieber erst in ein paar Jahren.
Sie müsste ihre Knospe nur etwas höher zur Sonne strecken, aber im Moment sind so viele anderen Dinge spannend.

Jedes Kind ist anders, aber bei allen ist eins gleich, Erfolg macht glücklich und wenn man einmal Erfolg hat, dann macht lernen plötzlich Spaß, weil man mehr Erfolg möchte.
Und an dieser Stelle müssen wir uns einig sein, dass Erfolg für jeden individuell ist. Was für Jolina ihr Kerngehäuse ist für Louisa endlich die neuen Französisch Vokabel im Kopf zu haben.

Inklusion ist wenn jeder seine eigenen Erfolge feiern darf, nach den eigenen Möglichkeiten und jeder freut sich mit, hört sich ganz einfach an.

Dann machen wir es doch einfach.


Die kleine erblühte Knospe trägt übrigens ein Kleid nach dem neuen Schnitt von MiToSa-Kreativ das ich probenähen durfte und fühlt sich darin sehr wohl.
Im Schnitt gibt es 3 Varianten gerade, Ballon und wie hier Zipfel, total genial.


Schnitt: Sidecut Kleid von MiToSa-Kreativ*
Stoff: Püdile von Swafing für Farbenmix
genähte Größe: 116
Model: Jolina
Foto: ©Jolinas Welt
verlinkt zu: made4girls, Kiddikram, it´s new

3 Kommentare:

  1. So schön zu hören und wirklich unglaublich, dass das erste Schuljahr nun schon vorbei ist.
    Ich freue mich immer wenn du von der Schule erzählst, weil es wahnsinnig beeindruckend ist was Jolina dort alles lernt und wie schnell sie Fortschritte macht. Einfach ganz toll und gratulation an beide zum Zeugnis. Scheinen ja alle zufrieden gewesen zu sein :).

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  2. Ein Jahr schon vorbei? Es liest sich toll was Jolina schon alles kann und vor allem dass sie Spass dabei hat. Wir haben jetzt noch ein Jahr im Kindergarten und ich kann mir das noch schwer vorstellen dass Agnes dann auch ein Schulkind ist.Und du hast absolut recht,jammern hilft nicht- machen und ausprobieren:-) danke fürs Teilen, schönes Wochenende wünscht das A-Team

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  3. Großartig! Ich freu mich so sehr für euch. Bei uns ist die Situation so ganz anders, aber meine Finja hat auch einen guten Weg gefunden. So wie ihr gute Inkusion erlebt haben wir für Finja, die leider extremen Unterstützungbedarf hat, eine gute heilpädagogische Schule gefunden.

    Trotz allem: Mein Herz schlägt für die Inklusion. Auch wenn ich leider sehe, dass sie für Kinder wie meines noch nicht machbar ist. Daher bin ich umso dankbarer für alle Vorreiter, Pioniere und Wegbahner der Inklusion, die echtes Miteinander-Leben und Miteinander-Lernen Vorleben.

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