Ich kaufe mir auch immer wieder gebrauchte Bücher die ich schon immer mal gerne lesen wollte, dieses ist so eins, wobei es an manchen stellen zu lesen mit dem Wissen, dass Tim leider nicht mehr lebt.
Aber erst mal zu dem Wunder dass,
Tim LEBT!
Wie uns ein Junge, den es nicht geben sollte, die Augen geöffnet hat.
von Simone und Bernhard Guidomit Kathrin Schadt
Was ich als erstes los werden möchte, ich liebe den Stil dieses Buchs, die Gliederung und die vielen Menschen die zu Wort kommen, bei vielen nicke ich und bei einigen bin ich entsetzt und denke, ob die immer noch nichts dazu gelernt haben.
Die Geschichte des "Oldenburger Babys" ist schon eine weile her. Früher kannte diese Geschichte fast jeder, der auch ein Kind mit Down-Syndrom hat und es zeigt den Umgang mit Down-Syndrom bei Ungeborenen, dieser Prozess hat sich jetzt durch neue Tests einfach in einen früheren Teil der Schwangerschaft verzogen, aber es ist immer noch möglich.
Info zum Fall:
Eine Mutter erfährt, dass sie ein Kind mit Trisomie21 erwartet, will unbedingt eine Spätabtreibung und bekommt die. Das Kind lebt nach der Geburt, wird unbehandelt liegen gelassen, was durchaus üblich war, nur in diesem Fall überlebt das Kind viele Stunden, bis man sich dann doch entschließt das Kind zu versorgen.
Durch die "Geburt" dieses Babys wird danach das Baby in so einem Fall durch eine Spritze noch im Mutterleib getötet um ein lebendes Baby auszuschließen.
Was ich noch durch das Buch erfahren habe, dass früher bei so einer Abtreibung immer ein Wassereimer daneben stand und man ein noch lebendes Kind ertränkt hat. Ich finde das bei Katzen schon erbärmlich, aber ein kleiner Mensch? Von Menschen deren Beruf es ist Leben zu retten? Alles in mir schreit. Und wir reden da nicht von "ewig her", das wurde in den 80ern und 90ern noch so praktiziert.
Zurück zum Inhalt.
Es ist der 18 Geburtstag von Tim, dem Oldenburger Baby und der wird groß gefeiert, das ist der Ankerpunkt des Buches, zu dem wir immer wieder zurück finden.
Es gibt Rückblicke und zukunftswüsche (die sich so bitter lesen)
Ganz viele Menschen kommen immer wieder in kurzen Passagen zu Wort und ich bin so dankbar, dass immer wieder von Anfang bis Ende dabei steht, wer diese Person ist (zB befreundete Ärztin), ich kann mir keine Namen merken und so ersparte es mir wildes zurückblättern.
Die Autoren sind die Pflegeeltern Tims und sie beschreiben warum er bei ihnen lebt und was sie dadurch gewonnen haben, aber auch welch Aufgabe es ist.
Man erfährt die Sicht der beiden leiblichen Söhne der Guidos und hoppla, sie sind doch keine Schattenkinder.
Tims Behinderung wäre ursprünglich "nur" das Down-Syndrom gewesen, die Frühgeburt und das stundenlange nicht Versorgen und Auskühlen haben ihn schwer geschädigt.
Das Buch zeigt wie sehr ein kleiner Mensch leben wollte und wie überheblich man mit Kindern umgeht, die vermeintlich nicht der Norm entsprechen.
Bei diesem Buch habe ich endlich begonnen (man sieht es auf dem Bild) Textstellen zu markieren, die ich in der Rezension unbedingt erwähnen will, mal sehen ob das geklappt hat ;-)
Ein bisschen stört mich ja der Begriff "Down-Kind", aber das Buch ist auch aus einer anderen Zeit (2015) und inzwischen würden die Eltern das sicher auch anders sagen.
Eine Stelle an der ich heftig nicken musste ist, wo die Mutter erzählt, dass es ein ständiger Kampf mit Anträgen ist und der Verwaltungsaufwand ein Kind mit Behinderung zu haben riesig ist und oft muss man sich Informationen verzweifelt suchen.
Die Geschichte vom "Oldenburger Baby" wurde übrigens durch den Focus bekannt und auch ein Redakteur vom Focus kommt im Buch zu Wort.
Er verrät nach wie vor seine Quelle nicht, aber was mich entsetzt ist, dass es damals auch eine Klage der Mutter gab auf Schadensersatz und Schmerzensgeld weil die versprochene Leistung, der Tod des Kindes, ausgeblieben ist.
An der Stelle schreit es nicht nur in mir, ich möchte kotzen, weinen, mich von der Menschheit abwenden in in manchen Teilen nur ekelhaft ist.
Hierzu passt sehr gut die nächste Textstelle der Eltern, die ich mit einem blauen Zettel markiert habe:
"Es ist die Gesellschaft die Schuld trägt mit ihren Idealen, Vorstellungen und ihrem Streben nach dem perfekten Menschen...."
der Satz geht noch wundervoll weiter, aber ich finde, du solltest das Buch lesen, jeder sollte das tun, es sollte Pflichtlektüre in Schulen sein. (Oberstufe)
Auch der Sohn Marco äußert sich ähnlich:
"Die Tatsache, dass ein Mensch heute nicht existieren darf, weil er behindert ist und nicht den Erwartungen der Gesellschaft entspricht, finde ich widerlich...."
Die Aussagen der Guidos decken sich ganz oft mit meinem Posts auf Instagram, die auch meine Überzeugungen sind.
Weniger Übereinstimmung habe ich bei den Aussagen der befreundeten Ärztin, die finde ich teilweise grenzwertig und eigentlich möchte ich persönlich jemand mit so einer Meinung nicht meinen Freund nennen, schlimm genug, dass man mit so einer Einstellung Arzt ist, Menschenfreundlichkeit und helfen wollen, standen hier wohl nicht hinter dem Berufswunsch.
"Simone... braucht etwas in das sie sich reinhängen kann, um sich selbst auch aufzuwerten, vermute ich. ... ob ich ihnen eine Bescheinigung ausstelle, ob sie wirklich geistig fit sind oder ob man das in Frage stellen muss....und sie vielleicht überlegen sollten, ob sie sich das weiter antun wollen...."
Wie muss sich das anfühlen so eine Aussage einer "Freundin" ins eigene Buch mit aufzunehmen.
Nun ja, jeder geht ja von sich selbst aus. Ich käme nicht auf die Idee, dass sich jemand der sich um andere kümmert das tut um sich selbst aufzuwerten, da denke ich jetzt wieder "kotz"
Tim starb am 4.1.2019 mit 21 Jahren an einer Lungeninfektion
Es gab noch so viele Pläne, ich hoffe die konnte man mit den beiden Mädchen mit Down-Syndrom, die auch Teil der Familie wurden verwirklichen.
Wenn du nicht das Glück hast das Buch gebraucht zu kaufen, dann kannst du es hier über Nacht bestellen oder direkt auf den kindle laden. klick
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