Ich hatte ja mal den Gedanken mit einem Kind mit Down Syndrom aus dieser schrecklichen Mütter/Eltern Olympiade raus zu sein.
Endlich kein "Mein Kind kann" mehr, oder ein "Wie deins kann das noch nicht?"
Endlich nicht mehr diese Vergleiche und die bösen Blicke wenn der eigene Nachwuchs wirklich etwas den Turbo bei der Entwicklung einschaltet. Ruck Zuck steht man als Fördermutter da und bekommt das auch noch ins Gesicht geschmettert, obwohl man einfach nur ein- und ausatmet, Essen kocht, Betten macht und dabei Kinderfragen beantwortet.
Endlich mal ganz dem eigenen Tempo hingeben ohne Vergleiche was man mit zB 3 können muss oder evtl. gar nicht darf ohne in die entsprechende Schublade gesteckt zu werden.
Stop!
Dieser Gedanke war falsch!
Ich verweigere mich gerade der Doppelbelastung:
"Mein Kind kann trotz Behinderung trotzdem schon!" oder wahlweise und oft auch gleichzeitig "Mein Kind kann es noch nicht, konnte es aber erst so spät oder ist soooo arm dran" oft einhergehend mit "Schau mal mein Kind ist aber trotzdem süß"
Aaaahhhhhh!!!! Hilfe!!! Ich will hier raus.
Gerade eben habe ich in einer Down Syndrom Gruppe etwas gelesen und das verursachte diesen Post.
Eine Mutter meint ihr Kind sei besonders langsam und fragt ob es noch mehr dieser Schneckenkinder gibt (Ich hoffe ich darf diesen Begriff übernehmen) natürlich melden sich ganz viele und es überschlägt sich wieder. Alles habe ich nicht gelesen, aber ich möchte mal zu bedenken geben wo es her kommt und, dass sich hier ganz viele an die Nase fassen müssen.
Vergleichen liegt uns in den Genen und ist auch gut so, denn wir lernen ja ganz viel durch Nachahmung und dazu ist einfach vergleichen wichtig. Auch hat die Steinzeitfrau die Steinzeitmänner verglichen ob sie z.B. gut jagen können, denn sie wollte ja genug Nahrung für sich und ihren Nachwuchs haben, ob sie auch noch die Bewunderung der anderen Steinzeitfrauen wollte lassen wir mal außen vor, aber ich befürchte so haben wir Menschen schon immer getickt.
Und an diesem Punkt kommen wir jetzt zur Neuzeit. Bewunderung oder Aufmerksamkeit, das ist das was ganz viele Leute bei facebook und Co wollen. Nur hat man eben nicht mehr das ganze Bild vor Augen, es wird sozusagen verbal Photoshop drüber laufen gelassen.
So liest Mama A, die sich gerade Sorgen macht ob ihr Kind jetzt nicht endlich sprechen müsste von Mama B, dass ein Kind das noch viel jünger ist schon 2 oder 3 Wort Sätze kann. Der Effekt ist, dass Mama A total unglücklich mit ihrem Kind ist.
Vielleicht hat Mama B aber nicht dazu geschrieben, dass ihr Kind immer noch nicht sicher läuft und körperlich auf sehr viel Hilfe angewiesen ist und Mama A weiß es gar nicht zu schätzen, dass ihr Kind schon lange läuft und sich teilweise schon alleine anzieht.
Wenn man dies schon länger verfolgt, was ich als Admin zwangsläufig muss, merkt man aber, dass diese Super-Dowinies (ich hasse das Wort Downie und ich finde es tausend mal schlimmer als wenn in einem Zeitungsbericht "leidet an Down Syndrom" steht) genau so die sind, die auf der anderen Seite plötzlich dringend Pflegebetten, spezielle Hochstühle und Autositze brauchen weil sie ja sooooo arm dran sind.
Natürlich sind nicht alle so, auch hier gibt es Unterschiede und ich finde es wichtig und richtig, dass für Kinder mit speziellen Bedürfnissen die Kasse spezielle Hilfsmittel zahl.
Aber ein "reines" Down Syndrom ist sicher keine Begründung für vieles. Nicht umsonst nennt man es den Mercedes unter den Behinderungen. Als Schreckgespenst wird es nur bei der Pränataldiagnostik dargestellt, weil man es eben so super leicht finden kann.
Aber zurück zu den Hilfsmitteln. Ein Kind das nicht am Tisch sitzen bleiben will ist sicher kein Grund für einen speziellen Hochstuhl. Hier muss man erziehen und nicht anschnallen. Das dauert beim Down Syndrom eben etwas länger und das ist das was an dieser Behinderung ätzend ist, diese Slow Motion.
Kinder mit Down Syndrom sind länger Baby, das ist einfach so und die kann man nicht mit Gewalt mit 12 Monaten in einen Stuhl am Familientisch zwingen nur weil man das gerne hätte. Oft sind die Kinder auch kleiner und passen wunderbar in die Babylösungen für dieses Problem, nur zahlt die, die Kasse natürlich nicht, macht sie bei anderen Babys und Kleinkindern aber auch nicht.
Ein Kind mit Down Syndrom ist keine aufopfernde Aufgabe der Gesellschaft gegenüber für die man dann mal hier und da einen Bonus abschöpft weil es möglich ist, man es aber gar nicht bräuchte.
Leider sehe ich aber genau dies seit den Jahren, seit dem in diesem Zirkus drin bin und da sagt mir mein Gerechtigkeitssinn oft: "Wirf den Mist doch hin! Dann siehst du das alles nicht mehr!"
Es ist einfach so, dass bei den Kindern mit 46 Chromosomen auch welche dabei sind die sind eben befähigt mit links ihr Abi zu bauen und es gibt welche die dies trotz unzähligen Nachhilfestunden und lernen nicht schaffen.
Die Menschen sind so unterschiedlich und lassen sich nicht in eine Form pressen, es gibt zwar den berühmten Durchschnitt, doch drumrum spielt sich das meiste ab. Daher kann man auch Kinder mit Down Syndrom nicht vergleichen. Da gibt es die, die hätten ohne ihr Zusatzchromosom sicher studiert und die anderen, die wären eben nicht der Typ dazu gewesen. Da kann man fördern bis es einem aus den Ohren kommt, es ist eben nicht alles möglich.
Und jetzt zu der rosa Glitzer Welt.
Seit man Pablo Pineda kennt denken Eltern das ihr Kind das auch schaffen kann/muss. So ein Quatsch. Keiner würde von seinem Kind erwarten, dass es mal Einstein wird oder einen Nobelpreis gewinnt. Warum setzt man seine Ziele so hoch?
Weil es die rosa Glitzerwelt gibt. Die schön gemalten Ausführungen von Down Syndrom Eltern mit Aussagen wie: "Es hätte mir nix besseres passieren können." oder "Mein Leben ist so toll"
Dazu dann die süßen Bilder und die heile Welt.
Klar, ich weiß was dahinter steckt. Sie wollen anderen Eltern Mut machen sich nicht gegen ihr Kind zu entscheiden, manchmal ist es auch schön malen der eigenen Situation.
Aber mal ehrlich? "Es hätte mir nix besseres passieren können?" Natürlich hätte mir und Jolina was besseres passieren können, nämlich wenn dieses 3. 21. Chromosom nicht da wäre. Huch, jetzt habe ich den Glitzer weggepustet.
Das was übrig bleibt ist das pure Leben. Ein Kind mit Down Syndrom ist weder besser noch schlechter als ein ohne, es ist einfach anders. Ich hätte es mir für uns anders gewünscht, weniger Termine bei Therapien, weniger Windeln, weniger Behördenkram, aber alles Gute bedeutet auch oft was Schlechtes, ich hätte dann nicht wundervolle Menschen kennen gelernt, ich wäre selbst nicht zu einem etwas besseren Menschen geworden durch meinen neuen Blickwinkel und ich würde sicher nicht bloggen.
Ich versuche nicht Teil dieser Glitzerwelt zu sein in der alles supi ist und aufgeräumt, das versuche ich auch in meinem Nähblog.
Mir kann keiner erzählen, dass es keine Dreckecken in seinem Haus gibt und falls es die wirklich nicht gibt, dann ist woanders der Mangel, evtl. der an Fanilienzeit oder mal einfach Füße hochlegen können.
Ich versuche einfach Durchschnitt zu sein, das was keiner sein will und die meisten doch sind, Durchschnitt, ganz normal.
Meinem Kind scheint ganz sicher nicht die Sonne aus dem Hintern auch wenn sie jeder Sonnenscheinkinder nennt (fast so schlimm wie Downie) mein Kind ist wie alle Kinder mal so und mal so, beim Einkauf verprügelt sie eine ältere Dame mit langen Spagetti (puhhh war das peinlich) um dann Minuten später an der Kasse mit der nächsten Dame zu flirten und "Hallo" zu flöten und "Tüss".
Genau das versuche ich auch zu vermitteln, im Prinzip ist es recht normal, so ein Leben mit einem Kind mit Down Syndrom und plötzlich erfährt man, weil man zur Beichtmutter und Geheimnisträgerin mutiert, dass dieses Kind (ohne DS) nicht zum Fußball kann weil es an dem Tag immer zur Logo muss oder, dass ganz viele Ergotherapie haben (und ich fragte mich immer warum es diese ganzen Praxen gibt und wo die ganzen Behinderten dazu sind).
Natürlich passt es nicht zu der Glitzerwelt die überall so gezeigt wird und dann hat eben der Junge der mit 5 schon perfekt Lesen konnte Ergotherapie weil es da eben hängt (ganz ohne Behinderung, sondern weil das Leben so ist).
Ich hoffe ich habe einigen die Augen geöffnet und sie hören auf so einseitig zu sein. Immer diese Bilder die um gefällt mirs betteln, am schlimmsten mit "Süß, gell?" untertitelt. Braucht ihr wirklich Bestätigung, dass Eure Kinder süß sind?
Vielleicht haben auch alle "Facebook-ADS" und brauchen Aufmerksamkeit in Form von Likes und Kommentaren.
Ihr müsst andere Eltern von Kindern mit Down Syndrom nicht davon überzeugen, dass diese Kinder super sind, die wissen es selbst, denn die leben damit. Tragt es in die Welt, dort gehört es hin und versucht nicht Euch gegenseitig zu übertrumpfen, sondern zeigt, dass unsere Kinder bei der Eltern Olympiade durchaus mit halten können, eben etwas langsamer, oder mit anderen Disziplinen.
Jolina gewinnt zB beim Beine hinter die Ohren legen.
Der Post lag so lange fertig bei mir rum, jetzt muss er raus, weil es immer aktuell ist
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Ich finde weder die Blogs noch die Gruppen wirklich hilfreich.Wir leben trotz Ds Kind so wie andere auch.Arbeit,Kinder,Freunde ,Freizeit und unser BekanntenKreis besteht aus Eltern deren Probleme unserer ähneln...Und die nehmen wir genauso ernst wie sie unsere.Von Eltern deren Kinder DS haben haben wir uns zurück gezogen.Wir wollen sie Normalität und die Behinderung unseres Kindes nimmt bei uns wenig Raum ein.I SchwimmGruppe und Regelschule.....Mut machen wollen wir niemanden...jeder muss fuer sich entscheiden was er tragen kann.lg
AntwortenLöschenWie soll man etwas entscheiden das man nicht kennt? Und deshalb gibt es diesen Blog, mir haben Gruppen und Blogs geholfen, so ist eben jeder anders, zum Glück
Löschen@Anonym
LöschenIch finde einige Blogs und YouTube Kanäle sehr Hilfreich. Ich finde es wichtig das mein Kind auch andere Kinder mit Down-Syndrom kennenlernt.
Hallo Jolou,
AntwortenLöschenDeine Ausführungen zum Thema "rosa Glitzerwelt" sind wieder treffend. Ich verfolge deinen Blog seit einem halben jahr und bin begeistert und freue mich immer wieder hier zu lesen.
Unser zweiter Sohn hat DS (fast 3 Jahre) und trotz Großstadt sind wir in keiner Gruppe oder ähnlichem. Aber ich möchte den Kontakt zu anderen Eltern mit DS nicht missen. Auch wir versuchen so normal wie möglich zu leben, aber mit ihm habe ich nunmal mehr Therapien und arztbesuche als mit dem großen Sohn.
Viele Grüße aus der Hauptstadt,
Ulrike
Hallo
AntwortenLöschenWir haben 2 Kinder und eins mit DS und Termine haben wir mit dem Grossen mit DS nicht mehr und nicht weniger wie mit dem Jüngsten ohne Handycap.Wir sind keine Freunde von Therapien und Hilfsmittel und foerdern und fordern ihn so gut wir koennen.Wir wenig Kontakt zu Familien mit DS Kindern.Liegt eher daran das er in der Regelkita war und jetzt in der Regelschule und daher seine Freundschaften entstanden sind.Lebenspraktisch so selbständig das er zum spielen und einkaufen alleine unterwegs ist.Wir haben ihn nie ueber behütet .In unseren Leben hat sich nicht allzu viel geändert .Gruss aus Hessen