Montag, 24. August 2015

Bespuckt, Ausgeschlossen und Gejagt

So ging es heute Jolina beim spielen am Strand.

Genau ein Jahr liegt nun dazwischen, dass wir das letzte Mal hier waren und uns fällt auf welche Entwicklung Jolina doch hingelegt hat. Noch gestern unterhielten wir uns darüber wie sie inzwischen gewisse Dinge angeht oder meistert. Richtig stolz waren wir auf unser großes Mädchen.

Natürlich ist sie nicht auf dem Stand einer 6 oder auch 5 jährigen, doch jedes Pipi ins Klo und jeder Satz der grammatikalisch schon sehr viel Schönes hat macht uns unendlich glücklich und stolz.

Wie immer wenn es einem mit etwas so richtig gut geht kommt das Schicksal um die Ecke um einen kleinen Seitenhieb auszuteilen.

Der Vormittag verbrachten Jolina und ich richtig schön gammelig in Schlafkleidern fast bis zum Mittag und ich freute mich wie schön sie sich selbst beschäftigen kann, wobei aber auch mal ne DVD lief, wenn Papa und Schwester schon Spaß beim Surfen haben, soll es uns ja auch gut gehen.

Am Nachmittag beschlossen wir mit zum Strand zu gehen, denn das Wetter wurde wieder richtig schön und nahe der Surfschule steht Jolinas Lieblingsklettergerüst.

Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde




Als wir ankamen hatte ich bei den 3 Kindern die da spielten gleich ein schlechtes Gefühl. Hört sich jetzt verrückt an, ich bin ein Mensch der Schwingungen sehr schnell aufnimmt und mein Bauchgefühl was Menschen betrifft hat sich selten geirrt und man kann es an einer Hand abzählen, wie oft ich meine Meinung über einen Menschen ändern musste, weil ich mich geirrt hatte.

Da waren also diese Jungs und ein kleines Mädchen. Ich platzierte mich auf einer Mauer, etwas weg vom Spielgerät, ich konnte alles überblicken und zur Not lossprinten, wenn Jolina auf irgendwelche dummen Gedanken käme. (Ist ja nicht so, dass sie noch nie weggelaufen wäre)

Als erstes bemerkte ich das Getuschel.
Jolina ging wie es ihre Art ist auf das Mädchen zu und lud es mit freundlichen "Hallo" zum Mitspielen ein, die fand Jolina aber wohl nicht so toll.

Jolina begann ihre Runden zu drehen und dann ging es los. Oben an der Rutsche fragte einer der Jungs: "Wo ist denn deine Mama?" warum er das fragte weiß ich jetzt, Jolina zeigte vage in meine Richtung, das hätte aber auch der Campingplatz oder die Surfschule sein können.


Dann folgte ein Geräusch, dass ich als Spucken gedeutet hätte, aber ich sagte mir "Nein, das war etwas anderes, ein Niesen vielleicht. Der würde doch nicht auf mein Kind spucken."

Sie ließen Jolina nicht in Ruhe rutschen und spielen und dann sah und hörte ich es genau. Jolina musste sich wieder am Kleineren der zwei durchdrücken und er spuckte auf sie.

Spucken ist ja etwas, da brennt bei mir die Sicherung durch. Es verletzt das Ehrgefühl mehr als ein Biss, Schlag oder Schubser. Spucken ist absolut ekelhaft, überschreitet persönliche Grenzen und unhygienisch ist es noch dazu. Mich hat zum Glück noch nie jemand angespuckt, denn ich glaube danach hätte ich eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals, denn auch winzig kleine Frauen können ganz schön böse werden.

Ich finde Eltern, die sich immer in die Angelegenheiten ihrer Kinder einmischen ja nervig, doch in dem Moment, musste ich handeln.

Also rief ich in dem Ton den meine Töchter schon kennen, der andere Kinder stramm stehen lässt und der eigentlich eher auf den Kasernenhof gehört rüber: "Hast Du gerade eben gespuckt?" Er erstarrt und nuschelt ein "nö" - "Mein lieber Freund, ich warne Dich, wenn ich das noch einmal sehe oder höre, dann stehe ich auf!"

Ich bin seit über 9 Jahren Mutter meine Rhetorik ist geschult und meine Drohungen sind nie so, dass ich sie nicht umsetzen könnte.

Ich sah den Burschen erstaunt erstarren, er ist wohl so etwas nicht gewöhnt.
Klar, "Arschlochkinder" entstehen nicht alleine durch üble Gene, sie entstehen unter anderem durch Nachahmung und durch falsche oder fehlende Erziehung.
Diese Jungs hatten ein Opfer gefunden, kleiner und offensichtlich behindert, da konnte man doch so richtig auf die Kacke hauen und starker Mann spielen, dumm dass dieses Opferkind eine Mutter dabei hat, die wie ein böser Drachen Feuer aus den Augen sprühen kann.

Jolina spielte weiter und die Jungs positionierten sich an einer Rutsche die ich nicht so gut einsehen konnte, warum musste Jolina dann genau diese Rutsche nehmen? Weil sie doch gerne mit anderen spielen möchte, doch dann hörte ich sie etwas rumnöhlen, weil man sie wohl mitten im Rutschen anhielt, oder was auch immer.

Ich schaute starr hinüber und der kleiner Junge, dem ich schon angedroht hatte aufzustehen, schaute immer wieder panisch unter dem Gestänge durch ob ich auch was sehen konnte. Genau sah ich nichts, aber mein böser Blick schien sie in die Flucht getrieben zu haben.

In seiner Fantasie spielte er wohl durch was passieren würde wenn die kleine Frau da von der Mauer aufstehen würde und das war tausend Mal schlimmer als wenn ich eine konkrete Sache angedroht hätte.

Beim Rückzug, quälten die beiden Jungs nochmal das kleine Mädchen in ihrer Begleitung, das, dann weinend hinterhertrottete.

Ich hatte eine großen Klumpen im Magen - oder war es eine Faust die sich um mein Mutterherz krampfte?
Ich kann nicht immer für mein Kind da sein und Arschlochkinder gibt es überall und die werden dann zu erwachsenen Arschlöchern.

Was Jolina dabei empfunden hat kann ich nicht sagen, ich fragte sie "Hat der Junge nach dir gespuckt?" - "Ja, spukt!" Sonst bekam ich nichts aus ihr heraus, sie kann ihre Gefühle leider immer noch nicht in Worte fassen und demnach kann sie mir auch nicht erzählen wenn ihr mal jemand Unrecht antut. Eine meiner großen Sorgen.


Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde

Jolina spielte fröhlich weiter und nachdem ich ihr den Weg zeigte schaffte sie sogar an dieser Kletterhilfe auf den Bildern hoch zu klettern. Ein neuer kleiner Meilenstein, eigentlich juhu, wenn da nicht dieser Klos noch wäre.

Vorher hing sie immer fest und jammerte "Helfe! Helfe!"
Und jetzt weiß sie wie sie rüber kommt..

Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde


Dann kamen die nächsten Kinder. Einige Jungs und ein kleines Mädchen, aber in erwachsener Begleitung.
Jolina wollte wieder mit dem Mädchen spielen, doch plötzlich nahm das Spiel auf dem Klettergerüst eine seltsame Wendung.
Zum einen hetzten die Jungs sie vor sich her, Jolina rannte und wurde gejagt, aber sie sah es glaube ich als Spiel, doch ich sah, dass es an ihre Grenzen ging, sie musste zu schnell rennen und klettern um den Jungs zu entkommen, dann wurde sie "eingesperrt" oben einer unten einer, puhh, das gefiel mir gar nicht, das Spiel war nicht schön, doch ich wollte nicht eingreifen, denn Jolina begriff entweder nicht was da passierte, oder ignorierte es um mit anderen spielen zu können und fügte sich daher in die Opferrolle. Wenn sie mal entkommen war rief das kleine Mädchen "Da ist sie!" - klar die hatte sie auf die Seite der Stärkeren und ihrer Freunde geschlagen.


Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde


Dann stand aber die Mutter von einem oder zwei der Kinder auf, pfiff sie alle zu sich und erklärte in strengem Ton, dass das so nicht ginge. okay, sie hatte es also auch bemerkt und ich sah keine Gespenster.
"Aber wir wollen Polizei spielen." Die Mutter erklärte, dass man andere erst fragen muss ob sie mitspielen wollen bevor man sie hetzt und ärgert.

Ich war auf der einen Seite froh, dass ich nicht tätig werden musste, aber muss ich das, wenn mein Kind nicht offensichtlich traurig über die Situation ist, aber die Situation einfach aus der Sicht von großen Menschen nicht okay ist?
Ich fragte mich, ob die andere Mutter mich für eine schlechte Mutter hielt weil ich so untätig nur beobachtete. Hat sie mir angesehen, dass ich auf dem Sprung war um mein Kind sofort zu retten?

Ich fühlte mich nur noch unwohl.

Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde

Ein neues Kind erschien auf der Bildfläche, noch sehr klein und in Begleitung seiner Mutter, wieder suchte Jolina sofort Kontakt und wollte mitspielen.

Das Klettergerüst am Strand auf dem mein Kind mit Behinderung gemobbt wurde


Am Ende spielte sie sogar mit den "Polizei"- Jungs und dem Mädchen kurz im Sand, aber es gab Streit um die Schippen, um den Sand (von dem echt genug da ist), um den Platz wo wer graben darf, es war alles andere als entspannt und keiner war glücklicher über die Regentropfen, die Grund für einen schnellen Aufbruch waren als ich.

Jolina


Ich weiß, dass mein kleines Mädchen behindert ist und ihr Weg kein leichter sein wird. Als Mutter macht man sich eh ständig Gedanken, aber solche Tage sorgen für neue Sorgenfalten.
Ich bin in den letzten Jahren extrem gealtert und das hat auch mit solchen Dingen zu tun, dass man sich nicht zurücklehnen kann und es einfach laufen lassen kann. Warum hatte ich ein Buch dabei? Ich würde mich niemals wagen auch nur eine Zeile zu lesen und meinen Blick abzuwenden.
Jolina ist ein Kind das immer 100% Aufmerksamkeit braucht, nicht weil sie ununterbrochen etwas anstellt, sondern weil sie ein sehr feines Gespür dafür hat wenn man mal nicht hinsieht, und diese Sekunden nutzt sie. Das haben wir schon öfter als einmal erlebt und es gibt auch Zeugen, die diese Aktionen selbst kaum glauben konnten. Dass ich jetzt auch noch 100% aufpassen soll, dass niemand Jolina unterbuttert kannte ich bisher nicht, da ich aber eh hinsehen muss, dass sie nicht weg rennt, kann ich das ja einbinden. Also "Warum zum Teufel hatte ich ein Buch mitgenommen?"

Jolina hat sich so toll entwickelt, eben in ihrem Tempo und viel, viel langsamer als andere, doch ich habe bisher noch nie erlebt, dass Jolina so in die Opferrolle gedrängt wurde und das gleich zwei Mal kurz hintereinander.

Jolina ist freundlich und lieb, versucht mit anderen zu spielen und dann passiert so etwas.

Wann hört es auf, dass es Kindern egal ist wie jemand aussieht und was er kann?
Die Aktion ging zwei Mal von größeren Jungs aus wurde aber von jüngeren Mädchen dann unterstützt. Keiner half Jolina, sondern jeder wollte lieber Teil der Gruppe sein die stärker ist.

Wir Menschen sind von Natur aus nicht gut, tut mir leid, auch Kinder nicht, es zählt wie im Tierreich die Regel, dass der Stärkere überlebt und mein Kind wird das nie sein, in keinem Bereich.
Das macht unendlich traurig. Natürlich gibt es auch andere Kinder/Menschen, die zu sozialen Wesen erzogen wurden und die dem Schwächeren gerne helfen, manchmal sogar ohne Rücksicht auf das eigene Wohl, aber sein wir mal realistisch, die gibt es weniger als die Mitläufer oder eben die Anführer.


Jolina im Bollerwagen


Ich habe dann später mit Jolina versucht darüber zu erzählen, das einzige was sie erzählen konnte war, dass sie gespielt hat.

Ich möchte nicht, dass mein Kind ein Opfer ist, sie hat ja auch "Nein!" gesagt, aber mal unter uns, was nützt ein Nein schon, wenn derjenige schon als Opfer ausgesucht wurde und dem Nein nichts folgt als ein weiteres verzweifeltes Nein.